Ketten müssen persönlicher werden

08 Feb 2018

Den steigenden Wunsch nach Authentizität können Hotelketten nicht erfüllen. Ihre Chance sind personalisierte Erlebnisse. Denn sie verfügen über die nötigen Daten.

Viele der heutigen Reisenden suchen einzigartige Erlebnisse weshalb die Kettenhotellerie unter Druck steht. Gäste, die authentische Erlebnisse höher bewerten als wiederkehrende Produktestandards, wandern ab. Ein Versuch der internationalen Hotelketten, diesem Abwanderungstrend entgegenzuwirken, ist die vermehrte Lancierung von neuen Soft-Brands, in den letzten drei Jahren waren das unter anderem: Curio, Tapestry, Trademark, Unbound und The Red.

Mit der flexiblen Einbindung individueller Hotels suchen die Hotelketten die Antwort auf ein sich veränderndes Gästeverhalten und den Wunsch nach authentischen Produkten. Für die sich anschliessenden Hotelbetriebe liegt der Vorteil von Soft-Brands darin, dass sie einerseits von der Distributionskraft einer Kette profitieren, ohne andererseits strikten Produktstandards folgen zu müssen. Dies ist natürlich nur interessant, sofern sich die Gebühren hierfür durch einen höheren Logis-Umsatz auszahlen.

Hotelketten haben Alleinstellungsmerkmale verloren

Die Vermittlung von Vertrauen auf ein wiederkehrendes Produkt war lange Zeit das Alleinstellungsmerkmal der Kettenhotellerie. Der technologische Wandel und die damit verbundene Informationstransparenz setzen etablierte Marken vermehrt unter Druck, da nun auch unabhängige Hotels durch Gästekommentare Vertrauen aufbauen.  

Zahlreiche neue Firmen verfolgen Geschäftsmodelle, deren Erfolg auf der kollektiven Meinung unbekannter Individuen beruht.

Es hat eine Verschiebung des Vertrauens stattgefunden, vom Nachbar über institutionelle Marken zu der kollektiven Meinung Unbekannter. Für die Kettenhotellerie bedeutet dies, dass deren Alleinstellungsmerkmal der Vertrauensvermittlung als Wettbewerbsvorteil an Gewicht verloren hat. Sowohl das Gästebedürfnis nach mehr Authentizität als auch die Demokratisierung der Vertrauensbildung nagen an den Grundpfeilern der Hotelketten. Ihr Vorteil liegt jedoch darin, dass sie aufgrund ihrer Grösse ihre Gäste besser kennen können. Hotelketten, welche diesen Vorteil nutzen, werden nicht verschwinden. Die Frage, die sich stellt ist, ob sie es schaffen, die vermehrt nach Authentizität suchenden Gäste anzuziehen und ihnen ein personalisiertes Erlebnis zu vermitteln. Die Chance der Hotelketten liegt vielmehr in der Gestaltung personalisierter und nicht zwingend authentischer Erlebnisse, und dazu haben Ketten im Vergleich zu unabhängigen Hotels alle Zutaten: Wissenskapital einer Servicekultur, Reichweite, Daten und Prozesse. Wie schnürt man diese Ressourcen zu einem Rezept, welches in personalisierten Gästeerlebnissen resultiert?

Zum Verständnis der Herausforderung, die einem Gästeerlebnis zugrunde liegt, hilft der Vergleich zwischen Dienstleistungen und physischen Produkten. Dienstleistungen in Hotels werden im selben Moment produziert und konsumiert. Entsprechend kann man eine Servicedienstleistung, ungleich einem physischen Produkt, keiner Qualitätsprobe unterziehen, bevor sie ausgeführt wird. Ziel sollte sein, dass die Erwartungen des Gastes mit dem wahrgenommenen Erlebnis übereinstimmen. Mit den richtigen Massnahmen kann die Wahrscheinlichkeit dafür erhöht werden. Fünf Schritte schaffen ein konsistent personalisiertes Gästeerlebnis:

  • Gästeerlebnis und Qualitätsanspruch definieren: Wie möchte sich ein Gast fühlen während der gesamten Kundenreise – vor, während, und nach einem Aufenthalt? Die Formulierung  von  Markenstandards (Brand Standards), unterstützt durch Standard-Prozesse (Standard Operating Procedures), hilft bei der Erreichung angestrebter Service-Ergebnisse.
  • Personal befähigen und ermächtigen: Funktions- und positionsgerechte Trainings sind unabdingbar, um die angestrebten Service-Ergebnisse zu erreichen. Durch Ermächtigung werden die Mitarbeiter ermuntert, das Wissen in der Situation richtig umzusetzen. Datenbasiert können im Anschluss Schwachstellen in der Dienstleistungsausführung identifiziert und gezielt angegangen werden.
  • Qualität messen: Servicequalität ist messbar. Gemessen wird, wie oft sich die Erwartungen eines Gastes mit dem Erlebnis decken. Wichtig ist, dass Qualität entlang des Markenversprechens gemessen wird. Verschiedene interne und externe Qualitätstests dienen als Datengrundlage, die in ihrer Menge und Qualität ein Gästeverständnis ermöglichen, welches unabhängige Hotels nur schwer erreichen.
  • Service-Wiedergutmachung ermöglichen: Die gewonnenen Erkenntnisse der mehrschichtigen Qualitätsmessung erlauben die sofortige Korrektur des Gästeerlebnisses während eines Aufenthaltes. Oft braucht es nur wenig, um einen Gast wieder glücklich zu stimmen, und es sind diese Erlebnisse, die zu Loyalität führen. Der Zeitpunkt der Erkenntnis ist jedoch ausschlaggebend, weswegen funktionierende Prozesse zentral sind.
  • Anpassungen vornehmen: Die datenbasierte Qualitätsmessung erlaubt durch die Aufzeichnung repetitiver Serviceleistungen ein tieferes Gästeverständnis. Dieses Verständnis ist nötig um trainings-, system- und prozessbasierte Korrekturen bei der Kreation des Gästeerlebnisses vorzunehmen.

Jeder der oben aufgeführten Schritte kann und sollte zur konsistenten Ausführung von personalisierten Gästeerlebnissen durch Daten und Prozesse unterstützt werden. Im Vergleich zur reaktiven Servicekultur vieler Hotels erlauben datenbasierte Erkenntnisse die pro-aktive Gestaltung von Gästeerlebnissen. Sofern sich Hotelketten ihrer verfügbaren Ressourcen richtig bedienen, sollten dann auch personalisierte Gästeerlebnisse resultieren, die durchaus mit den authentischen Erlebnissen unabhängiger Hotels mithalten können.