Künstliche Intelligenz ist Chefsache

13 Mrz 2019

Künstliche Intelligenz (KI) ist im internationalen Kampf um digitale Hegemonie auf die staatspolitische Agenda avanciert. Mit gutem Grund, denn wer die Macht über Daten hat, regiert die Welt. Dieser Tatsache schaut die Schweiz noch zu wenig ins Auge. Hiesige Unternehmen sind gut beraten, KI als strategische Schlüsselaufgabe zu etablieren.

KI ist nicht nur ein Hype, sondern hat sich zu einem staatspolitischen Machtinstrument entwickelt. Das Wissen aus Daten ist von unschätzbarem Wert. Nicht umsonst liefern sich die Weltmächte einen unerbittlichen KI-Rüstungswettlauf. Putin liess 2017 verlauten: «The leader in artificial intelligence will rule the world.» Die deutsche Regierung hat im November 2018 drei Milliarden Euro gesprochen, um Deutschland als KI-Standort zu stärken. In China fliessen Milliarden von Fördermitteln in die Forschung und Entwicklung von KI-Anwendungen und in Techriesen wie Alibaba oder Tencent. Ebenso aktiv sind derzeit die USA mit digitalen Giganten wie Apple, Google, Amazon, Microsoft, Facebook & Co.

Die Macht der Daten und Algorithmen

Heute haben weltweit über 30 Länder die Bedeutung von KI erkannt und sind dabei, eine Strategie auf Staatsebene zu definieren, oder haben eine solche bereits definiert. Dazu gehören nicht nur die Supermächte, sondern auch kleinere Länder wie zum Beispiel Japan oder Luxemburg. Diese Staaten wollen ihren Standort stärken, Talente ins Land holen oder dort behalten und im internationalen Wettbewerb die Nase vorn haben. Doch damit nicht genug: Wer wertvolle Datenmengen besitzt und diese gezielt analysieren und intelligent auswerten kann, gewinnt Wissen, sprich Macht. Damit kann er das Kaufverhalten von Konsumenten verstehen, den Aufschwung oder Niedergang gewisser Industrien steuern, meinungsbildend auf die Gesellschaft einwirken und seine Kriegsführung verfeinern – sowohl auf realem als auch auf virtuellem Terrain.

Die Geister, die wir riefen

Länder und Unternehmen, die in KI investieren, sollten sich bewusst sein, dass mit dieser neuen Technologie auch Risiken einhergehen:

  • Mangelnde Erklärbarkeit: Selbstlernende Systeme können zwar Entscheidungen optimieren, aber nicht immer erklären.
  • Verzerrung (Bias): Algorithmische Resultate lassen sich in eine Richtung lenken, die kein objektives Bild abgeben. Die Ursache dafür könnte in unausgewogenen Daten oder in der unzureichenden Anwendung von Algorithmen liegen.
  • Existenzängste: Viele Arbeitnehmer fürchten, dass standardisierte oder automatisierte Prozesse ihren Job überflüssig machen.
  • Verselbstständigung: Niemand kann ausschliessen, dass maschinenbasierte Entscheidungen eine unkontrollierbare Dynamik annehmen.
  • Neue Wertigkeiten: Algorithmen entscheiden aufgrund mathematischer Grundlagen. Dabei werden früher oder später Dinge quantifiziert, die sich bisher nur schwer bewerten liessen, etwa «korrektes Verhalten», «Menschenleben», «Kind» oder «betagte Person».
Doppelte Aufgabe

Das staatspolitische Engagement zugunsten von KI sollte ein doppeltes Ziel verfolgen:

1. Anreize für Unternehmen schaffen

Länder, die ein interessantes wirtschaftliches Umfeld bieten, ziehen Innovationsführer, Tech-Talente und KI-Experten an. Zudem verhindern sie einen schmerzlichen Brain Drain sowie das Aushöhlen des staatseigenen Arbeitskräftepotenzials.

2. Sicherheit durch Regulierung gewähren

Neben Anreizen für den internationalen Wettbewerb benötigen die Unternehmen Sicherheit durch Regulierung. Diesbezüglich setzt das Ausland deutliche Signale. Zum Beispiel hat die Market Authority Singapur (MAS) eine Reihe von Prinzipien zur Förderung von Fairness, Ethik, Verantwortlichkeit und Transparenz (FEAT) bei der Verwendung von KI und Datenanalysen im Finanzwesen veröffentlicht. Die australische Wettbewerbs- und Verbraucherkommission zum Beispiel hat Google mit einer vorläufigen Empfehlung zur Transparenz im Umgang mit australischen Konsumenten ermahnt.

Nachholbedarf in der Schweiz

Die Schweiz geniesst weltweit einen hervorragenden Ruf als Innovationsstandort und nimmt in der Entwicklung von KI-Anwendungen eine Schlüsselrolle ein. Die beiden Eidgenössischen Technischen Hochschulen oder das Schweizer Forschungsinstitut für KI in Lugano sind klingende Namen im akademischen Universum.

Doch leider wird auf Staatsebene – zumindest scheint es so – die strategische Dringlichkeit des Themas KI zu wenig konsequent verfolgt. Im September 2018 hat der Bundesrat im Rahmen der Strategie «Digitale Schweiz» eine Arbeitsgruppe für künstliche Intelligenz eingesetzt. Dieses bundesinterne Gremium soll bis Herbst 2019 einen Bericht mit bestehenden und neuen Massnahmen vorlegen, der ausserdem Überlegungen zu einem transparenten und verantwortungsvollen Einsatz von KI enthält.

Im Gegensatz zur MAS ist die FINMA bisher unverbindlich geblieben. Auch der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB) bleibt zurückhaltend. Er verlangt, «… dass Big-Data-Applikationen, künstliche Intelligenz und Robotik nebst ihren primären Zwecken stets auch die Ausübung des grundrechtlichen Anspruchs auf ein selbstbestimmtes und privates Leben unterstützen». Nur: Solange die Aufsichtsbehörden nicht klar artikulieren, inwieweit neuartige Verfahren basierend auf KI traditionelle Methoden ablösen können, herrscht bei den Unternehmen nach wie vor Verunsicherung.

Das digitale Paradoxon

Während global 15% der Unternehmen mit künstlicher Intelligenz arbeiten, ist es nur gerade 1% in der Schweiz. Zwar werden in Schweizer Universitäten und Hochschulen die talentiertesten Digital- und KI-Experten ausgebildet. Doch arbeiten diese bei ausländischen Giganten wie Google oder IBM, direkten Konkurrenten zu innovationsgetriebenen Swiss Champions. Mit anderen Worten: Die Schweiz pflegt eine hochentwickelte und weltweit renommierte Digitalkultur, fährt deren Ernte aber nicht selber ein.

Führungsetage in der Pflicht

Völlig unabhängig davon, inwiefern sich die Regierung für KI engagiert, sollten Schweizer Unternehmen diese zur Chefsache erklären. Unternehmen, die signifikante Fortschritte erzielen möchten, sollen prüfen, ob sich der Einsatz von KI lohnen könnte. Zudem empfehlen wir Eigeninitiative und den aktiven Dialog mit den Behörden. Das bedingt, dass Verantwortungs- und Entscheidungsträger das Thema auf ihre strategische Agenda setzen und vorantreiben. Nur so können sie im internationalen Kontext weiterhin Spitzenplätze besetzen, ihre Innovationskraft hoch halten und entsprechende Talente ins Haus holen.

 

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