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IFRS 15 für Umsätze aus Verträgen mit Kunden – Erstanwendung naht


David Baur
Director, Technical Office, Wirtschaftsprüfung

Zunehmend komplexer ausgestaltete Verkaufstransaktionen haben die Standardsetter dazu bewogen, die Vorschriften für die Umsatzerfassung anzupassen. Für IFRS sind die neuen Regeln für Geschäftsjahre, die ab 1. Januar 2018 beginnen, anzuwenden. Wir gehen der Frage nach, ob sich mit einem Wechsel auf Swiss GAAP FER Umstellungseffekte umgehen lassen.

IFRS und US GAAP haben in einem gemeinsamen Projekt für den wichtigen Bereich der Umsatzerfassung neue, quasi wortgleiche Standards entwickelt. IFRS 15 «Umsätze aus Verträgen mit Kunden» ersetzt die bisherigen Standards IAS 11 «Fertigungsaufträge» und IAS 18 «Umsatzerlöse». In den zweieinhalb Jahren seit der Publikation des Standards hat sich gezeigt, dass IFRS-Anwender unterschiedlich stark vom neuen Standard betroffen sind. Während einige Unternehmen grössere Anpassungen in der Umsatzerfassung vornehmen müssen, bleibt bei anderen die Umsatzverbuchung unverändert.


Kernpunkte des neuen Standards

Im Kern legt der neue Standard fest, wann und in welcher Höhe Umsätze verbucht werden dürfen. Der Grundgedanke dabei ist, dass ein Unternehmen dann Umsatz verbucht, wenn es die mit dem Kunden vereinbarte Leistung erbringt. IFRS 15 setzt diesen Grundgedanken in einem Fünf-Schritte-Modell um. Der erste Schritt beinhaltet die Identifikation des Vertrags mit dem Kunden. Im zweiten Schritt werden die einzelnen Leistungen, die an den Kunden zu erbringen sind, identifiziert. Hier zeigt sich in der Praxis, dass Verträge oftmals nicht nur den Verkauf eines Gutes beinhalten, sondern weitere Leistungen an den Kunden umfassen, so etwa nachgelagerte Dienstleistungen oder ein Anrecht auf zukünftige Vergünstigungen oder Gratisprodukte. Solche Vertragselemente stellen oft separat zu behandelnde Leistungsverpflichtungen dar, bei deren Erfüllung Umsatz erfasst werden darf. Der dritte Schritt im Modell beinhaltet die Bestimmung des Transaktionspreises. Es wird also ermittelt, wie viel Umsatz für den entsprechenden Vertrag berücksichtigt werden darf. Interessante Fragen stellen sich beispielsweise, wenn der Vertrag eine Finanzierungskomponente oder eine Variabilität im Verkaufspreis vorsieht. Im vierten Schritt wird der Transaktionspreis auf die im zweiten Schritt identifizierten Leistungsverpflichtungen aufgeteilt. Diese Aufteilung erfolgt in der Regel proportional zu den Einzelverkaufspreisen der Leistungsverpflichtungen. Somit steht nach dem vierten Schritt fest, wie viel Umsatz ein Unternehmen für die Erfüllung jeder einzelnen Leistungsverpflichtung erfassen darf. Der fünfte und letzte Schritt klärt die Frage, wann eine Leistungsverpflichtung als erfüllt gilt und wann der entsprechende Umsatz gebucht werden darf. Basierend auf einem Kontrollmodell gibt es zwei grundlegende Möglichkeiten der Erfüllung: zu einem bestimmten Zeitpunkt oder über einen bestimmten Zeitraum.

Die Erfassung auf der Basis der einzelnen Leistungsverpflichtungen führt grundsätzlich zu einem aussagekräftigen Abbild der Umsätze im Abschluss. Das Modell kann jedoch die Unternehmen dann vor grössere Herausforderungen stellen, wenn die Umsatzerfassung zeitlich oder betragsmässig von der Fakturierung oder den Mittelflüssen abweicht.

Fünf-Schritte-Modell für die Anerkennung der Einnahmen

1

Identifikation des Vertrags

2

Identifikation der einzelnen Leistungs­ver­pflichtungen

3

Bestimmung des Transaktionspreises

4

Verteilung des Transaktionspreises

5

Erlöserfassung

Anwendungszeitpunkt und Übergangsvorschriften

Nicht zuletzt um eventuell notwendige Anpassungen in den Systemen zu ermöglichen, hat das IASB den Anwendern eine recht lange Frist bis zur verpflichtenden Erstanwendung gewährt. Der Standard wurde im Mai 2014 publiziert und ist nun auf 1. Januar 2018 verpflichtend anzuwenden. Zudem stehen zwei Methoden zum Übergang auf den neuen Standard zur Verfügung:

  • Anwender können den Standard rückwirkend anwenden. Unter dieser Methode werden die Vergleichsinformationen im Abschluss 2018 so dargestellt, als wäre IFRS 15 schon immer angewendet worden.
  • Die Unternehmen können den Standard ab 1. Januar 2018 anwenden, ohne dass sie die Vergleichsinformationen anpassen müssen.


Wechsel auf Swiss GAAP FER als Alternative?

Verschiedene Schweizer IFRS-Anwender, die mit einem Umstellungseffekt aus IFRS 15 rechnen müssen, überlegen sich einen Wechsel zu Swiss GAAP FER. Bis vor Kurzem beinhaltete Swiss GAAP FER praktisch keine Regelungen der Umsatzerfassung. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Neuerungen in IFRS und US GAAP hat Swiss GAAP FER ein eigenes Projekt zur Anpassung der Umsatzerfassung lanciert. Die daraus resultierenden Änderungen sind für Geschäftsjahre beginnend ab 1. Januar 2016 in Kraft getreten. Anstelle eines eigenen Standards wurden Anpassungen im Bereich der Umsatzerfassung im Rahmenkonzept sowie in FER 3 «Darstellung der Jahresrechnung» und FER 6 «Anhang» vorgenommen.

Einige der Neuerungen führen dazu, dass Umstellungseffekte auf IFRS 15 auch bei einem Wechsel auf Swiss GAAP FER bestehen. So verlangt Swiss GAAP FER beispielsweise ebenfalls, dass bei Mehrkomponentenverträgen die einzelnen abgrenzbaren Bestandteile separat zu bewerten sind. Der jeweilige Ertrag wird verbucht, wenn die Dienstleistung erbracht ist oder wenn ein Vermögenswert geliefert wurde. Die Behandlung von Mehrkomponentenverträgen unter Swiss GAAP FER unterscheidet sich also konzeptionell kaum von der Behandlung unter IFRS 15. Unternehmen, die sich der Problematik des unterschiedlichen zeitlichen Anfalls der Rechnungsstellung beziehungsweise der Geldflüsse und der Umsatzerfassung unter IFRS 15 gegenübersehen, werden dieselbe Fragestellung auch unter Swiss GAAP FER lösen müssen. Da die gleiche Transaktion sowohl unter IFRS als auch unter Swiss GAAP FER nach ihrer wirtschaftlichen Substanz abgebildet werden soll, erstaunt dies auch nicht weiter. Ermessensentscheide unter Einbezug von Wesentlichkeitsüberlegungen sind sowohl unter IFRS als auch unter Swiss GAAP FER zulässig.

In der Vernehmlassung zur Umsatzerfassung nach Swiss GAAP FER wurde zudem die Behandlung von unüblich langen Zahlungsfristen aufgegriffen: «Wenn die vereinbarte Bezahlung der Gegenleistung einzelner Geschäfte einer unüblich langen Frist unterliegt, ist der entsprechende Teil der Erlöse als Finanzertrag auszuweisen.» Die vorgeschlagene Ergänzung wurde schliesslich nicht umgesetzt. Interessant ist allerdings die Aussage in der Vernehmlassung, dass auch diese Fallkonstellation im Sinne der True and Fair View bei gegebener Wesentlichkeit bereits heute so vorgenommen werden sollte. Ein Wechsel auf Swiss GAAP FER würde es somit einem Unternehmen nicht erlauben, von der separaten Verbuchung wesentlicher Finanzierungskomponenten abzusehen, selbst wenn dies im Standard nicht explizit geregelt ist.

Es gibt unbestritten Bereiche, in denen Swiss GAAP FER grössere Freiräume bietet als IFRS 15. Dazu gehört die Frage der Zulässigkeit der PoC-Methode (Percentage of Completion), die unter Swiss GAAP FER für langfristige Aufträge vorgesehen ist. Die PoC-Methode führt dazu, dass Umsätze über die Dauer der Fertigung oder Leistungserbringung erfasst werden. Das Konzept der Umsatzerfassung über einen Zeitraum ist auch in IFRS 15 enthalten. Es kommt allerdings nur zur Anwendung, wenn die Kontrolle von Gütern oder Dienstleistungen laufend an den Käufer übergeht. FER 22 «Langfristige Aufträge» handhabt durch die offenere Formulierung die Anwendung der PoC-Methode weniger restriktiv. Unter diesem Gesichtspunkt kann ein Wechsel auf Swiss GAAP FER für Unternehmen attraktiv sein, die unter IFRS (insbesondere IAS 11 «Fertigungsaufträge») Umsätze bisher über einen Zeitraum erfasst haben, die neuen Anforderungen von IFRS 15 für den kontinuierlichen Transfer der Kontrolle jedoch nicht erfüllen.

Fazit

Welcher Rechnungslegungsstandard am besten für ein Unternehmen passt, ist eine Schlüsselfrage. Diese sollte es aus einer gesamtheitlichen Sichtweise beantworten. Das Unternehmen sollte sich bei einem solchen Entscheid jedoch nicht von buchhalterischen Einzelfragen leiten lassen, sondern über die Anforderungen an seine Finanzberichterstattung nachdenken. Neben der Erwartung der verschiedenen Anspruchsgruppen sind dabei sicherlich auch das regulatorische Umfeld und allfällige lokale Reportingforderungen an Konzerngesellschaften zu betrachten.

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David Baur

David Baur

Director and Leader Corporate Reporting Services, PwC Switzerland

Tel.: +41 58 792 26 54

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