Wie stehen Schweizer Unternehmen aus dem Personen- und Gütertransport zum automatisierten Fahren? Welche Auswirkungen hat diese Entwicklung auf die Branchenakteure? Auf diese und weitere Fragen haben 73 Führungskräfte aus den Bereichen Personen- und Güterverkehr in unserer Umfrage geantwortet. Wir haben ihre Bewertungen zusammen mit denjenigen weiterer von uns interviewter Branchenexpert:innen zusammengefasst, um Ihnen ein Meinungsbild der Branche zum automatisierten Fahren zu geben und das Thema aus geschäftlicher Perspektive zu untersuchen.
Dabei zeigen sich Unterschiede zwischen dem Personen- und dem Gütertransport, ebenso innerhalb der Untersegmente wie öffentlicher Verkehr oder Stückgutverkehr. In einer Sache sind sich alle einig: Eine konsequente Kundenzentrierung bleibt die Voraussetzung für den Erfolg neuer Geschäftsmodelle.
Automatisiertes Fahren bietet ebenfalls ein enormes Kostensparpotenzial. 25 % derjenigen, die eine Schätzung vorgenommen haben, erwarten Einsparungen von über 20 % bei den Betriebskosten. Um dieses Potenzial auszuschöpfen, müssen die Unternehmen gezielte Anpassungen diverser Komponenten wie Datenmanagement, physische Infrastrukturen und betriebliche Prozesse vornehmen.
Die Unternehmen müssen die anstehende Transformation mit Blick auf die Belegschaft sozialverträglich ausgestalten. 66 % der Befragten gehen davon aus, dass die Rolle des Fahrpersonals durch automatisierte Systeme entfallen wird. Daher sind Massnahmen für die Weiterentwicklung der Mitarbeiterkompetenzen in verschiedenen Geschäftsbereichen unerlässlich.
Die Studienresultate zeigen eine erhebliche Diskrepanz in der Auseinandersetzung mit dem automatisierten Fahren. 29 % der Studienteilnehmenden geben an, dass sie sich bisher nicht oder kaum mit dem Thema beschäftigt haben. Dabei haben sich mehr Personen aus dem Gütertransport (37 %) noch nicht oder kaum mit dem automatisierten Fahren befasst als Personen aus dem Personentransport (26 %).
Nur äusserst wenige Unternehmen führen schrittweise automatisierte Fahrzeuge in ihre Flotten ein (4 %), schulen ihre Mitarbeitenden im Thema (8 %) und rekrutieren gezielt neue Fachkräfte (4 %). Das steht im Kontrast zu den vielen Unternehmen, die bereits strategische oder operative Analysen vorgenommen (47 %) oder den Einfluss auf das Geschäftsmodell evaluiert haben (37 %). Besonders ausgeprägt sind die Unterschiede zwischen den Segmenten und bei der Durchführung von Pilotprojekten: 44 % der Befragten aus dem Personentransport führen aktuell einen Test durch; im Gütertransport finden zum Befragungszeitpunkt keine Pilote im Betrieb statt. Dennoch sagen 13 % der befragten Personen aus der Gütertransportbranche aus, dass Tests geplant seien. 3 % führen an, eine schrittweise Einführung zu planen.
78 % der Studienteilnehmenden sehen die Einführung des automatisierten Fahrens übergeordnet als Chance für ihre Unternehmen; nur 11 % werten sie als Risiko. Dabei wird ein breiter Fächer an Erfolgsaussichten aufgespannt (vgl. Abbildung 5). Die drei am häufigsten genannten Chancen sind geringere Personalkosten (63 %), effizientere betriebliche Prozesse (56 %) und die Erschliessung neuer Geschäftsmodelle (55 %).
25 % der Studienteilnehmenden, welche eine Antwort abgegeben haben, gehen auf die Frage, wie viel Prozent ihrer Betriebskosten sie durch Effizienzgewinne schätzungsweise einsparen können, von über 20 % aus. 32 % erwarten, 10 % bis 20 % der Betriebskosten senken zu können, und nur 8 % erwarten keine Kosteneinsparungen. 30 % beantworten die Frage nicht. Das zeigt die Unsicherheit der Branche über den konkreten finanziellen Mehrwert von automatisiertem Fahren.
Die Studienergebnisse sprechen von einem ausgeprägten Bewusstsein für die Risiken des automatisierten Fahrens (vgl. Abbildung 7). 79 % der Befragten betrachten Cyberrisiken als ernst zu nehmendes Problem, da sich durch die Einführung automatisierter Fahrzeuge neue Einfallstore für Cyberangriffe öffnen. Zudem sehen 52 % eine Gefahr in der Abhängigkeit von Technologieanbietenden.
Nur 23 % der Befragten sehen die anspruchsvolle Rentabilisierung neuer Geschäftsmodelle und 22 % aufwendige Umstellungen auf Prozess- und Systemebene als Risiken. Diese optimistische Einschätzung widerspiegelt die Überzeugung der Befragten hinsichtlich der Chancen für das Geschäfts- und Betriebsmodell.
Die vorliegende Studie lässt klare Unterschiede in der Bereitschaft und dem Reifegrad von Unternehmen für automatisiertes Fahren als Technologie- und Transformationsimpuls erkennen. Eine Mehrheit der Befragten sieht darin attraktive Chancen, etwa durch Effizienzsteigerungen, Kostensenkungen oder neue Ertragsquellen. Um dieses Potenzial auszuschöpfen, sind gezielte Massnahmen erforderlich, die je nach Unternehmen und Segment unterschiedlich aussehen sollten. Der regulatorische Rahmen, der sich mit der AFV ab dem ersten Quartal 2025 weiterentwickelt, bietet den Unternehmen die Gelegenheit, sich strukturiert mit dem Thema zu befassen, Partnerschaften zu knüpfen und erste Massnahmen umzusetzen.
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Die vorliegende Studie enthält eine branchenweite Umfrage von 73 Unternehmen des Personen- oder Gütertransports. Ergänzend haben wir die Studienresultate mit fünf Interviews mit Expert:innen für automatisiertes Fahren und Branchenvertretenden angereichert und deren Erfahrungen mit der Konzeption und Umsetzung derartiger Projekte einfliessen lassen.
Unser Fragebogen umfasst fünf Fragen zur Kategorisierung der Studienteilnehmenden (z. B. Marktsegment oder Position im Unternehmen) und 22 inhaltsbezogene Fragen rund um die strategische Sicht auf das automatisierte Fahren, den Reifegrad des Unternehmens, Chancen und Risiken sowie Auswirkungen auf das Betriebsmodell und operative Geschäft.
Gabriele D'Achille
Director, Consulting and Head of Transportation and Logistics, PwC Switzerland
+41 58 792 76 64