Michael Imbach
Senior Manager, Accounting Consulting Services, PwC Schweiz
Sebastian Gutmann
Accounting Consulting Services, PwC Schweiz
Mit Ausnahme von IFRS 17 «Versicherungsverträge» sind alle grossen IASB Standardsetzungsprojekte der letzten Jahre mittlerweile in Kraft gesetzt worden. In der näheren Zukunft werden jedoch kleinere Änderungen anwendbar, welche für die betroffenen Anwender u. U. grössere Auswirkungen mit sich bringen.
Das IASB hat im Mai 2020 mehrere kleinere Standardänderungen veröffentlicht, welche am 1. Januar 2022 in Kraft treten und vorzeitig angewendet werden dürfen. Im Folgenden gehen die Autoren auf zwei dieser Änderungen ein, welche Sachverhalte betreffen, die bisher in der Rechnungslegungspraxis uneinheitlich gehandhabt wurden.
Änderung an IAS 16 - Erlöse vor beabsichtigter Nutzung
IAS 16 «Sachanlagen» verlangt, dass die Anschaffungs- oder Herstellungskosten einer Sachanlage alle direkt zurechenbaren Kosten einschliessen, die anfallen, um einen Vermögenswert zu seinem Standort und in den erforderlichen (vom Management beabsichtigten) betriebsbereiten Zustand zu bringen. Kosten für Testläufe, mit denen überprüft wird, ob der Vermögenswert ordnungsgemäss funktioniert, sind ein Beispiel für solche direkt zurechenbaren Kosten.
Die Änderung an IAS 16 adressiert die Erfassung von Erlösen aus dem Output einer Sachanlage, welche noch nicht zur beabsichtigten Nutzung bereitsteht. Die aktuelle Vorschrift verlangt, dass solche Erlöse von den Anschaffungsbzw. Herstellungskosten dieser Sachanlage abzuziehen sind.
Eine Untersuchung gängiger Praxis durch das IASB ergab, dass diese Vorgabe von IFRS-Anwendern unterschiedlich angewandt wird. Manche Unternehmen bringen lediglich die Nettoerlöse in Abzug, welche in der Testphase der Sachanlage erzielt werden. Andere Unternehmen bringen alle in Abzug, die erzielt werden, bis sich die Sachanlage im betriebsbereiten Zustand befindet.
Die Anpassung von IAS 16 ändert die Erfassung solcher Erlöse. Unternehmen dürfen künftig derartige Erlöse nicht mehr von den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten einer Sachanlage abziehen. So sind nun bspw. Erlöse aus dem Verkauf von in einer Testanlage gefertigten Mustern künftig zusammen mit den Kosten für deren Herstellung direkt in der Erfolgsrechnung zu erfassen. Zur Bewertung der Herstellungskosten dieser Muster ist IAS 2 «Vorräte» anzuwenden, wobei Abschreibungen der Sachanlage, mit der die Muster gefertigt wurden, nicht mit einzubeziehen sind, da diese noch nicht für ihren beabsichtigten Gebrauch bereit ist.
Die Neuerung stellt auch klar, was unter «Kosten für Testläufe» zu verstehen ist. Hierunter fallen Kosten zur Feststellung, ob der Vermögenswert technisch und physisch in der Lage ist, seinen bestimmungsgemässen Gebrauch durchzuführen. Das Erreichen einer bestimmten finanziellen Leistungsfähigkeit, wie z. B. eine vom Management angestrebte operative Gewinnmarge, ist hingegen für die Beurteilung irrelevant1. Ein Vermögenswert kann daher bereits als «betriebsbereit» gelten und es kann mit der Abschreibung begonnen werden, bevor er das vom Management erwartete Niveau der Betriebsleistung erreicht hat. Die Anpassung ist daher auch relevant für Unternehmen, die bislang bei der Beurteilung, ob eine Sachanlage betriebsbereit ist, das Erreichen einer bestimmten finanziellen Leistungsfähigkeit mit einbezogen haben.
Die Änderung führt bei den betroffenen Unternehmen tendenziell zu einem früheren Abschreibungsbeginn und erhöht den Abschreibungsaufwand in künftigen Perioden, da die Buchwerte der Sachanlagen nicht mehr um die Nettoerlöse vor beabsichtigter Nutzung reduziert werden.
Die Anpassung verlangt darüber hinaus, dass Unternehmen Erlöse und Kosten im Zusammenhang mit produzierten Gegenständen, die nicht aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit des Unternehmens stammen, getrennt ausweisen und den Posten der Erfolgsrechnung angeben, in dem diese Erlöse und Kosten erfasst werden.
Die Neuerung ist rückwirkend anzuwenden, jedoch nur auf Sachanlagen, die am oder nach dem Zeitpunkt der frühesten im Abschluss dargestellten Vergleichsperiode angeschafft wurden.
Änderung an IAS 37 - Kosten der Vertragserfüllung belastender Verträge
IAS 37 «Rückstellungen, Eventualverbindlichkeiten und Eventualforderungen» definiert einen belastenden Vertrag als einen Vertrag, bei dem die unvermeidbaren Kosten zur Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen höher sind als der erwartete wirtschaftliche Nutzen des Unternehmens. Unvermeidbare Kosten sind dabei der niedrigere Betrag aus den Erfüllungskosten und etwaigen aus der Nichterfüllung resultierenden Entschädigungszahlungen oder Strafgeldern. Die Änderung spezifiziert, was unter unvermeidbaren
Kosten zu verstehen ist. Künftig sind sämtliche direkt dem Vertrag zurechenbaren Kosten zu berücksichtigen. Diese umfassen:
Die IFRS-Anwender legten den Begriff der Kosten der Vertragserfüllung bisher unterschiedlich aus. Einige Unternehmen berücksichtigten eine Allokation zurechenbarer Gemeinkosten, während andere ausschliesslich auf die «incremental cost» abstellten. Letztere müssen nun beurteilen, ob zusätzliche Rückstellungen für belastende Verträge anzusetzen sind und ob bereits angesetzte Rückstellungen erhöht werden müssen.
Das IASB verzichtete in der finalen Fassung auf die Einführung von im Exposure Draft noch enthaltenen Anwendungsbeispielen, welche sich an der Definition von Vertragskosten nach IFRS 15 «Erlöse aus Verträgen mit Kunden» orientierten. Zur Auslegung der Ermessenfrage, welche weiteren Kosten im Rahmen der Allokation einzubeziehen sind, bieten diese den Anwendern dennoch gewisse Anhaltspunkte. Insbesondere sind allgemeine Vertriebs- und Verwaltungskosten (wie bis anhin) nicht in der Bemessung eines belastenden Vertrages zu berücksichtigen.
Zudem erfolgt eine Klarstellung, wonach vor der Erfassung einer Rückstellung eines belastenden Vertrags eine Wertminderung auf alle zur Vertragserfüllung eingesetzten Vermögenswerte anzuwenden ist. Bisher bezog sich der Standard ausschliesslich auf Vermögenswerte, welche mit dem Vertrag verbunden sind. Die Autoren erwarten keine massgeblichen Auswirkungen durch diese Änderung.
Die Übergangsbestimmungen erfordern keine vollständige retrospektive Anwendung. Der Übergang auf die neuen Bestimmungen wird dadurch erleichtert, dass die Änderungen ausschliesslich auf jene Verträge anzuwenden sind, für die ein Unternehmen zum Beginn der Berichtsperiode im Zeitpunkt der Erstanwendung noch nicht alle Verpflichtungen erfüllt hat. Der kumulierte Effekt aus der erstmaligen Anwendung der Änderung ist in der Eröffnungsbilanz des Eigenkapitals dieser Periode ohne Anpassung der Vorjahreswerte zu erfassen.
Fazit
Die Änderungen an den beiden Standards können für die betroffenen Unternehmen zu massgeblichen Auswirkungen führen. Die Änderung an IAS 16 betrifft Unternehmen, welche bei der Herstellung und Instandsetzung von Sachanlagen wesentliche Verkäufe von Gütern dieser sich in der Herstellung befindlichen Anlagen erzielen. Die Änderung an IAS 37 betrifft jene Unternehmen, welche aktuell zur Bestimmung belastender Verträge keine Allokation von indirekt zur Erfüllung der Vertragsverpflichtung notwendigen Kosten berücksichtigten.
1Bödecker, A., IASB veröffentlicht Konglomerat kleinerer Standardänderungen, https://blogs.pwc.de/accounting-aktuell/ifrs/iasb-veroeffentlicht- konglomerat-kleinerer-standardaenderungen/1812, abgerufen am 2. Februar 2021.
David Baur
Partner and Leader Corporate Reporting Services, PwC Switzerland
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Sebastian Gutmann
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