Im Fokus: Unternehmensberichterstattung

Integrated Reporting: besser als reine Compliance

Rolf Johner
Partner, Wirtschaftsprüfung

Mit einem integrierten Reporting (IR) zeigen Sie auf, wie Ihr Unternehmen Wert generiert. Dank prinzipienbasierter Leitplanken sind Berichterstattung und Bericht so individuell wie Ihr Unternehmen selbst. Denn Ihre Investoren sollen nicht nur Ihnen und den publizierten Informationen glauben, sondern auch daran, dass Ihre Organisation wirklich an Wert gewinnt.

IR basiert auf einem Rahmenwerk (IR Framework), das die Kommunikation geschaffener Werte und zukünftiger Herausforderungen stärkt. Die integrierte Offenlegung überträgt reine Informationen in verständliches Wissen. Sie äussert sich zu Unternehmens- und Marktumfeld, Strategie und Ressourcenallokation, Geschäftsmodell, Governance, Chancen und Risiken, Performance und Erfolgsaussichten. Der IR-Bericht soll den Unternehmen helfen, das Fundament und den Charakter ihrer Wertschöpfung (vgl. Abbildung 1) zu verstehen und für andere glaubhaft darzulegen – gerade für Investoren und Analysten.

Wertschöpfungsprozess im Integrated-Reporting-Modell nach IIRC

Im Namen des Weitblicks

Die im Zusammenhang mit der Unternehmensberichterstattung massgeblichen Organisationen – das International Accounting Standards Board (IASB), die International Federation of Accountants (IFAC), die Global Reporting Initiative (GRI) und The Prince‘s Accounting for Sustainability Project (A4S) – haben im August 2010 das International Integrated Reporting Council (IIRC) als IR-Standardsetzer etabliert. Am 9. Dezember 2013 legte das IIRC das IR-Framework vor. Das IIRC unterstützt Unternehmen in der Kommunikation ihrer Wertschöpfung als Weiterentwicklung der Unternehmensberichterstattung (vgl. Unternehmensberichterstattung). Erklärtes Ziel ist es, integriertes Reporting im Denken und in der Praxis von öffentlichen und privaten Organisationen zu verankern; die Umsetzung erfolgt auf Unternehmensebene. Bis 2017 soll dem IR-Rahmenwerk der Durchbruch in der Praxis gelingen.

Rund um den Globus aktuell

Integriertes Reporting ist mittlerweile weltweit aktuell. In manchen Ländern wie Südafrika oder Brasilien gilt es als Voraussetzung für die Kotierung an der Börse. In Japan zum Beispiel haben im Jahr 2015 130 Organisationen einen IR-Bericht veröffentlicht. In England sind es über 10 % des wichtigsten britischen Aktienindex (Financial Times Stock Exchange FTSE 100 Index).

Die BM&FBOVESPA (die brasilianische Börse) empfiehlt, dass Unternehmen angeben sollen, ob sie einen regulären integrierten Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen und wie dieser verfügbar ist, und wenn sie keinen Bericht veröffentlichen, warum sie dies nicht tun. Die BM&FBOVESPA ist der Meinung, dass die Praxis «Bericht oder Erklärung» dazu beitragen wird, dass eine stetig steigende Anzahl der kotierten Unternehmen einen Nachhaltigkeitsbericht erstellt.

Schweiz am Warmlaufen

In der Schweiz ist die Umsetzung der integrierten Berichterstattung unterschiedlich stark ausgeprägt. 2013 führten wir die PwC-Studie «Creating value through corporate reporting» durch. Dabei beurteilten wir die 20 Firmen des Swiss Market Index (SMI) nach den sieben Kriterien des Frameworks. Im Rahmen dieser Erhebung stellten wir fest, dass Schweizer Unternehmen in gewissen Teilbereichen mit sehr gutem Beispiel vorangehen. Die grösseren Schweizer Unternehmen räumen Schlüsselthemen der Nachhaltigkeitsberichterstattung hohe bis sehr hohe Priorität ein, zumindest intern. Wo genau die Umsetzung heute steht, ist schwierig abzuschätzen, da IR-Berichte hierzulande selten publiziert werden.

IR vs. GRI-G4

Die Prinzipien von IR und der vierten Ausgabe der Global Reporting Initiative (GRI-G4) weisen gewisse Überschneidungen auf. Beiden Werken gemeinsam ist das Konzept der Wesentlichkeit. So können im Nachhaltigkeitsbericht Themen als wesentlich aufgeführt sein, die es auch für die integrierte Berichterstattung sind. Zudem steht bei beiden Initiativen der interne Gestaltungsprozess über dem formalen Bericht. Dieser bringt die Resultate verbal und visuell zum Ausdruck und ist bei IR breiter gefasst als bei GRI-G4. Mehr zum Vergleich von IR und anderen Standards lesen Sie in unserem Artikel «Nichtfinanzielle Berichterstattung».

Fernrohr für Verwaltungsrat und Management

Schon wieder ein neuer Bericht! So reagieren manche Führungspersonen auf die Frage nach einer integrierten Berichterstattung. Am liebsten würden sie das Erstellen eines
IR-Berichts wegdelegieren. Zu Unrecht: Integrierte Berichterstattung gehört auf die Agenda der strategischen und operativen Führung. Denn sowohl der Verwaltungsrat als auch die Geschäftsleitung können mit einer integrierten Berichterstattung aufzeigen, wo ihr Unternehmen Wert schafft und wie es die Ressourcen Geld, Arbeitskräfte oder Umwelt einsetzt. Mithilfe von IR erhalten Unternehmenssteuerung und -leitung Klarheit über die Werttreiber und über die Wirkung von Strategie, Chancen, Risiken, Erfolgspotenzial und Kontrollen. Damit unterstützen sie die strategische Entscheidungsfindung. Integriertes Reporting beginnt bei der Analyse der Wesentlichkeit, umfasst das Verständnis der Wertschöpfung und schliesst mit der Kontrolle der Zielerreichung und einer Rundumsicht der Offenlegung ab. In diesem Sinn ist IR Ausdruck eines ganzheitlichen Unternehmertums (vgl. Abbildung 2).


Abbildung 2: Integrierte Berichterstattung als Teil eines integrierten Unternehmertums

Was Investoren wollen

Entscheidend für die integrierte Berichterstattung ist die regelmässige Auseinandersetzung des Unternehmens mit dem Thema, vor allem der Dialog mit Investoren und Analysten. Aus dieser Interaktion erfahren Verwaltungsrat und Geschäftsleitung, auf welche finanziellen und nichtfinanziellen Schlüsseldaten sie sich konzentrieren sollten. IR bringt damit Vorteile, die jene der reinen Compliance klar übersteigen. Investoren und Analysten konzentrieren sich in der Bewertung von Unternehmen in erster Linie auf metrische Kennzahlen. Ihre Modelle und Betrachtungen über die zu erwartenden Geldflüsse reichern sie mit ihrer Einschätzung der Branchen und Märkte, ihrem Wissen über Verwaltungsrat und Geschäftsleitung, der strategischen Orientierung und weiteren Informationen über eine Gesellschaft an. Umso wichtiger ist es, das Informationsbedürfnis von Investoren zu kennen und diesen die wesentlichen Aspekte der unternehmerischen Prosperität verständlich darzustellen. Abbildung 3 erläutert die Themenschwerpunkte von Investoren und die Bedeutung von Informationen für die Berichterstattung. Genau diese Themen werden von der integrierten Berichterstattung aufgenommen.

Abbildung 3: Wichtigkeit und Wirkung von Informationen aus Sicht der Investoren

Wie wichtig ist jede dieser Informationen, die von einem Unternehmen für Ihre Analyse bereitgestellt werden, und wie effektiv sind die Informationen, die Sie derzeit in Bezug auf das gesamte Unternehmensreporting erhalten?

Auf einer Skala von 0 bis 100, wobei 0 bedeutet: spielt keine Rolle

Hinweis: Bei einem Wert von 100 würde ein Teilnehmer den Informationen maximale Wichtigkeit und maximale Wirksamkeit beimessen.
Beim Unterschied zum angegebenen Wert spricht man von der "Wirksamkeitslücke".

 

Abbildung 4 zeigt, welche Informationsquellen Investoren am häufigsten nutzen.

 

Abbildung 4: Informationsquellen und deren Bedeutung für Investoren

  Finanz-
informationen
Informationen zur Strategie des Unternehmens und zur Ressourcen-allokation
Informationen zu Chancen und Risiken
Informationen zur Governance Informationen zu Umwelt, Sozialem und Humankapital
1.  Geschäftsbericht Investor-präsentationen Dialog mit dem Management Geschäftsbericht Geschäftsbericht
2.  Ankündigung der vorläufigen Ergebnisse Dialog mit dem Management Geschäftsbericht Stimmrechts-vollmacht Nachhaltigkeits-bericht
3.  Investor-präsentationen Geschäftsbericht Investor-präsentationen Dialog mit dem Management Website

Perspektiven bündeln

Mit der integrierten Berichterstattung kann ein Unternehmen aufzeigen, warum es sich im Rahmen seiner Leistungserbringung und damit auch der Steigerung des Unternehmenswerts zum Beispiel um einen starken Innovationsprozess (R&D), stabile und langjährige Handelsbeziehungen, Effizienz im Ressourcenverbrauch oder um den kontinuierlichen Aufbau des Humankapitals kümmert. Die Geldgeber wiederum können aufgrund einer breit gefassten Darstellung besser abschätzen, wie sich ein solches Engagement langfristig auf den Unternehmenswert auswirkt und welche Parameter diesen beeinflussen. Eine integrierte Berichterstattung erleichtert in der Konsequenz die Beschaffung von Fremd- oder Eigenkapital.

Inhalt vor Form

Der jährliche IR-Bericht stellt «nur» das Resultat oder die Erkenntnisse eines umfassenden Prozesses dar, die als finanzielle und nicht-finanzielle Key Performance Indicators (KPIs) bezeichnet werden. Idealerweise ist ein IR-Bericht so einfach abgefasst, dass ihn nicht nur der geschulte Experte, sondern auch ein Privatinvestor oder Medienvertreter ohne spezifische Fachkenntnisse versteht. Gerade weil er sich nach einem Rahmenwerk und nicht nach gesetzlichen Vorschriften richtet, soll er die Schwerpunkte, Sicht und Sprache des Unternehmens wiedergeben. Er muss darlegen, mit welcher Strategie welche Risiken vermindert werden sollen, was im Berichtsjahr erreicht wurde und wie diese Ziele gemessen werden. Dabei sollten auch Initiativen zur Sprache kommen, die sich nicht oder nur bedingt quantifizieren lassen.

Integrated Reporting einführen und verankern

Die Definition der Wesentlichkeit, die genaue Kenntnis der Wertschöpfung und das Wissen um deren Auswirkungen sind die Grundlagen für die Einführung eines integrierten Reportingpozesses in Ihrem Unternehmen. In der Praxis empfehlen wir ein schrittweises Vorgehen.

Südafrika: mit gutem Beispiel voran

In Südafrika sind die Anforderungen an eine gute Unternehmensführung historisch geprägt und in den «King Reports on Corporate Governance» festgehalten. Diesen liegen die Elemente «leadership», «sustainability» und «good corporate citizenship» zugrunde. Kurz: Verantwortung als gesellschaftlich wertvolles Gut. Damit wollte man der neuen, im Aufbau befindlichen Gesellschaft einen Corporate-Governance-Rahmen geben, der die wirtschaftliche Verantwortung einbindet.

Basierend auf den King Reports verlangt die südafrikanische Börse (JSE - Johannesburg Stock Exchange) einen IR-Bericht für die Kotierung. Entsprechend legen die meisten kotierten Unternehmen einen solchen vor. Einige privatwirtschaftliche Organisationen haben nachgezogen und einen internen IR-Prozess gestartet, oder sie geben ebenfalls einen IR-Bericht heraus.

IR ist in Südafrika noch nicht in der DNA der Unternehmen oder deren Denken verankert; die meisten sehen ihre Pflicht mit der Publikation eines IR-Berichts getan. Eine Abstimmung von internem und externem Reporting fehlt. Trotzdem: Einige Unternehmen nutzen IR-Informationen für den hauseigenen Entscheidungsprozess.

In Südafrika werden die IR-Berichte von der Geschäftsleitung vorbereitet. Die Arbeit konzentriert sich in einem ersten Schritt auf die Definition von Zielgruppen und deren Bedürfnisse – vorwiegend von Investoren. Dieses Wissen wird anschliessend mit Informationen aus Gesprächen mit internen und externen Schlüsselfiguren angereichert. Hauptakteure in diesem Prozess sind CFO, Investor-Relations-Teams und Nachhaltigkeitsverantwortliche. Abgesegnet wird der IR-Bericht vom Audit Committee.

Die betroffenen Unternehmen stehen der JSE-Vorgabe wohlwollend gegenüber. Sie erachten IR als willkommenes Instrument, um ihre Wertschöpfung zu kommunizieren. Die Investoren sind geteilter Meinung: Langfristig denkende Finanzprofis erachten IR als nützlich, kurzfristig ausgerichtete sind weniger überzeugt davon.

Fazit

Die integrierte Berichterstattung schafft eine effektive und effiziente Reportingkultur. Denn Transparenz muss Ihr Unternehmen nicht unbedingt verletzlich machen, sondern kann neue Kräfte freisetzen. Darum sollten Sie als Verantwortungs- und Entscheidungsträger sich mit integriertem Reporting auseinandersetzen und die aktuellen Entwicklungen im Auge behalten. Schon heute können Sie Schlüsselthemen und wesentliche Ressourcen identifizieren, deren Dringlichkeit einordnen und intern zur Sprache bringen. So schärfen Sie das firmeneigene Bewusstsein und starten einen wertvollen Prozess.

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Rolf Johner

Rolf Johner

Partner Assurance, PwC Switzerland

Tel.: +41 58 792 77 42

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