Der neue Revisionsbericht gewährt einen gründlichen Einblick in den Prüfprozess. Er ist die Antwort des International Auditing and Assurance Standards Board (IAASB) auf den Ruf nach mehr Transparenz im Nachgang zur Finanzkrise. Den Unternehmen bietet er eine Chance, ihre Reputation dank zusätzlicher Informationen zu stärken.
Haben Aufsichtsgremien, Kontrollen und Prüfer versagt? Diese Frage war in der Aufarbeitung der Finanzkrise häufig und deutlich zu hören. Das IAASB als verantwortliches Gremium für die Erarbeitung und Weiterentwicklung der international anerkannten Grundsätze zur Abschlussprüfung hat diese Unsicherheit zum Anlass genommen, die Bestimmungen für den Revisionsbericht zu überarbeiten.
Transparenz bringt Vertrauen
Der neue Bericht soll vornehmlich zur Schliessung der Erwartungslücke zwischen der Revisionsgesellschaft und den Anspruchsgruppen des Unternehmens, insbesondere den Investoren, beitragen. Mit weiterführenden Informationen und einem entsprechend erweiterten Umfang stellt er die wesentlichen finanziellen Risiken eines Unternehmens und die Art und Weise dar, wie diese in der Prüfung angegangen wurden. Damit stösst der neue Revisionsbericht eine intensivere Auseinandersetzung aller Parteien mit dem Auftrag und der Durchführung der Prüfung an und fördert das Vertrauen in diese.
Das IAASB spricht Klartext
Im Rahmen seines Reformprojekts hat das IAASB verschiedene International Standards on Auditing (ISA) revidiert und diverse Änderungen im Revisionsbericht vorgeschrieben. Einerseits geht es um die Struktur des Berichts (wonach beispielsweise das Prüfungsurteil an erster Stelle kommt), anderseits um neue Bestandteile. Die grosse Neuerung betrifft die sogenannten Key Audit Matters (KAMs, zu Deutsch «bedeutsame Sachverhalte, die im Rahmen der Prüfung beurteilt wurden»). Diese müssen gemäss einem neuen ISA im Revisionsbericht von Unternehmen, die Eigen- oder Fremdkapital kotiert haben, umschrieben werden, unabhängig davon, nach welchem Rechnungslegungsstandard die Jahres- oder Konzernrechnung erstellt wird.
Der neue Standard legt die Hintergründe zu den KAMs und deren Ermittlung fest. Dabei handelt es sich um dem Management und dem Audit Committee bekannte Punkte, weil die Prüfungsrisiken sowohl im Prüfungsplan als auch im umfassenden Bericht an das Audit Committee und an den Verwaltungsrat enthalten sind. Die Beschreibung der KAMs im Revisionsbericht muss so erfolgen, dass der Leser das damit verbundene Risiko aus Sicht des Prüfers erkennt. Die Sichtweise des Unternehmens wird dadurch eingebracht, dass der Revisionsbericht auf die entsprechende Anmerkung im Anhang der Jahres- oder Konzernrechnung verweist. Abschliessend zieht der Prüfer eine objektive Schlussfolgerung.
Die Anwendung der überarbeiteten bzw. des neuen ISA ist verpflichtend für Unternehmen, deren Geschäftsjahre am oder nach dem 15. Dezember 2016 enden. Dazu gehören alle in der Schweiz kotierten Gesellschaften. In England und Holland ist der neue Revisionsbericht bereits für die Geschäftsjahre 2013 bzw. 2014 regulatorisch verankert. Die Rückmeldungen der Unternehmen und Investoren aus diesen Pionierländern sind durchwegs positiv.
Goodwill als KAM – ein Beispiel
Der nachfolgende Auszug aus dem Revisionsbericht 2014 der Sage-Gruppe (UK) zeigt auf, inwiefern die externe Revision den Goodwill als KAM identifiziert und prüferisch adressiert hat:
Im Fokus: Wertminderung des Goodwills
Aus zwei Gründen haben wir die Wertminderung des Goodwills in den Mittelpunkt unserer Betrachtungen gestellt: Zum einen fällt die Goodwill-Bilanz sehr hoch aus (GBP 1’433 Millionen per 30. September 2014). Zum anderen hat sich das Management in ihrer Beurteilung des Nutzungswerts der «Cash Generating Units» (CGUs) zu den zukünftigen Geschäftsergebnissen und zu den Diskontsätzen für zukünftige Cashflow-Prognosen geäussert.
Wegen des ausgewiesenen Wertminderungsbedarfs von GBP 44,3 Millionen im laufenden Jahr konzentrierten wir uns in unserer Prüfung auf den bilanzierten Goodwill der brasilianischen CGU. Die restliche Goodwill-Bilanz dieser Unit beträgt ca. GBP 76,8 Millionen. Die Gruppe hat das Geschäft in Brasilien im Jahr 2012 gestartet. Seither wurde die Leistung hier durch eine landesweite makroökonomische Verschlechterung beeinträchtigt, die für das laufende Jahr schliesslich zu einer Wertminderung führte.
Ein Schlüsselelement der Goodwill-Bilanz zeigt sich bei den beiden US-amerikanischen Units SBS und SPS mit einem Gesamtwert von GBP 687,7 Millionen. Zwar sieht das Management aufgrund früherer Leistungswerte hier einen deutlichen Spielraum nach oben zwischen dem Nutzungswert der CGUs und deren aktuellem Bilanzwert. Für uns hingegen blieb dies wegen der beträchtlichen Höhe der Goodwill-Bilanz nach wie vor ein Schwerpunktthema.
Vorgehen unserer Prüfung
Im Rahmen unserer Prüfung beurteilten und analysierten wir, wie das Management seine Cashflow-Prognosen aufgebaut hat und dabei vorgegangen ist. Wir wollten klären, ob alle relevanten CGUs – einschliesslich Brasilien und USA – erfasst wurden. Dabei stellten wir fest, dass das Management seinen klar dokumentierten Prozess zur Erstellung der zukünftigen Cashflow-Prognosen genau befolgt hat. Die Prognosen wurden rechtzeitig einer Begutachtung und Analyse durch die Direktion unterzogen und stimmten mit dem vom Verwaltungsrat genehmigten Budget überein. Wir verglichen die Zahlen des laufenden Jahres mit denjenigen des Geschäftsjahres 2014, die in der Vorjahresprognose enthalten waren. Damit konnten wir erkennen, ob eine der Prognose rückblickend als optimistisch gegolten hätte. Die tatsächliche Leistung in Brasilien war niedriger als erwartet. Daher bildete das Management im laufenden Jahr das Ertragswachstum und die Umsatzrendite von 2014 ab. Im Hinblick auf die vergangenen Leistungen von Brasilien halten wir diese Einschätzung für angemessen. Im Weiteren analysierten wir für alle CGUs – insbesondere für Brasilien und die USA – die Annahmen des Managements bei seinen Prognosen für
- langfristige Wachstumsraten durch den Vergleich mit Prognosen aus Wirtschaft und Industrie und
- den Diskontsatz durch Berechnung der Kosten für das Kapital des Unternehmens und für vergleichbare Organisationen, dabei berücksichtigten wir die spezifischen Faktoren des geografischen Gebiets.
Unsere Betrachtung zeigte, dass die Annahmen des Managements konsistent waren und unseren Erwartungen entsprachen. Schliesslich gingen wir der Frage nach, wie sensibel das Management die Berechnungen für seine CGUs durchgeführt hatte. Wir kamen zum Schluss, dass die Annahmen für Ertragswachstum und Diskontsatz am sensibelsten waren. Für sämtliche CGUs mit Ausnahme von Brasilien errechneten wir jenen Schwellenwert, bis zu dem die Annahmen für das Eintreten einer Wertminderung verschoben werden müssten. Gemeinsam mit dem Management diskutierten wir die Wahrscheinlichkeit einer solchen Verschiebung. Unser gemeinsames Fazit: Eine solche wäre unwahrscheinlich. Bei Brasilien beurteilten wir die Einschätzung des Managements für das jährliche Ertragswachstum (11 %), die Umsatzrendite (26 %) und den Diskontsatz (17 %) als annehmbar. Allerdings würde sich jede Änderung dieser Annahmen direkt auf den Wertminderungsbedarf auswirken.
KAMs – Schlüssel in der Lektüre
Sowohl finanzielle als auch nichtfinanzielle Sachverhalte lassen sich als KAM einstufen. Zu den nichtfinanziellen KAMs gehören beispielsweise die für die Jahresrechnung relevanten IT-Systeme oder interne Kontrollen. Finanzielle Sachverhalte von besonderer Wichtigkeit finden sich zum Beispiel im Goodwill, in Rückstellungen, Steuern oder bei der Umsatzerfassung. Ausgangspunkt der Identifikation der KAMs sind für den Prüfer ein intensiver Dialog mit den Verantwortungs- und Entscheidungsträgern des Unternehmens sowie seine Erkenntnisse aus den Vorjahresprüfungen (vgl. Abbildung 1). Die Inhalte sollen objektiv und so umfassend wie nötig dargestellt werden. Eine Schlussfolgerung zu einem KAM ist zwar nicht zwingend vorgesehen, aber empfehlenswert. Denn sie liefert dem Leser zentrale Informationen und eine wertvolle Entscheidungsgrundlage.
Ausgangsbasis: Informationen zur laufenden Abschlussprüfung durch Kommunikation mit den Verantwortlichen der Gesellschaft und Erkenntissen aus den Vorjahren |
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1 Identifikation von Sachverhalten, die besondere Aufmerksamkeit der Revisionsstelle erfordern |
2 Von diesen Sachverhalten: Identifikation der Key Audit Matters (wesentliche Sachverhalte) |
3 Erlaubnis, besonders sensitive Informationen nicht zu veröffentlichen. |
4 Key Audit Matters, die im Revisionsbericht erläutert werden. |
Viel dran, mehr drin
Sowohl inhaltlich als auch formell hat sich im neuen Revisionsbericht einiges grundlegend verändert. Der Aufbau ist nach wie vor klar vorgeschrieben. Allerdings ist er um einiges detaillierter und individueller auszugestalten, da er einerseits einen umfassenderen Einblick in die Prüfungsdurchführung gewährt und sich andererseits über die KAMs äussert. In Ergänzung zu den ISA wird in Grossbritannien und in den Niederlanden aufgrund gesetzlicher Bestimmungen zusätzlich die Angabe der Wesentlichkeit (Materiality) und des Prüfungsumfangs (Scope) verlangt, was einen noch tieferen Einblick ermöglicht. Wir sind bestrebt, dass auch für börsenkotierte Schweizer Unternehmen neu neben dem Prüfungsansatz die Wesentlichkeit und der Prüfungsumfang im Bericht integriert werden, da diese die Transparenz wesentlich erhöhen. Abbildung 2 stellt den Aufbau des neuen Revisionsberichts schematisch dar und zeigt die bisherigen und die geänderten Elemente.