Im Fokus: Unternehmensberichterstattung

Steuertransparenz: «Wind of Change» für die Wirtschaftswelt

Bruno Hollenstein
Partner Tax & Legal Services

Die von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und der Europäischen Union (EU) getriebenen Vorschriften führen zu mehr Transparenz in den Unternehmen. Sie werfen – ähnlich wie bei Privatpersonen – die Frage auf, ob ein Unternehmen angemessen zum Staatshaushalt beiträgt. Diese Frage wird damit zusehends zur Moralfrage. Der Ruf nach mehr Transparenz verändert die Steuerlandschaft grundlegend und nachhaltig. So sind vor allem internationale Unternehmen gefordert.

Transparenz und grenzüberschreitender Informationsaustausch, so lauten die Zauberformeln, die Weltmarktunternehmen zu einem neuen Verhalten bewegen sollen. Dabei ist zwischen zwei Themenfeldern zu unterscheiden:

  • Einerseits fordern verschiedene Initiativen das Country-by-Country-Reporting, also die länderspezifische Berichterstattung von Finanzkenn- und Steuerzahlen, und die Anpassung von Vorschriften zur Dokumentation konzerninterner Verrechnungspreise. Damit werden die Unternehmen verpflichtet, den Steuerbehörden mehr und detailliertere Informationen nach Ländern gegliedert offenzulegen. Das Country-by-Country-Reporting soll eine Gesamtübersicht der weltweiten Verteilung der Gewinne und bezahlten Steuern multinationaler Unternehmen sowie Angaben zur Lage von Vermögenswerten und Geschäftsaktivitäten darstellen.
  • Andererseits werden den Steuerbehörden durch den spontanen oder sogar automatischen grenzüberschreitenden Austausch ausländische Steuerinformationen zugänglicher gemacht. Hier steht der Austausch von Steuerrulings im Vordergrund. Beim spontanen Informationsaustausch gibt eine Steuerbehörde vorhandene Informationen an einen anderen Staat weiter, wenn sie dessen Interesse an diesen Informationen vermutet – also nicht, weil die Daten explizit eingefordert wurden. Ein solches Interesse ist zu vermuten, wenn der betroffene Staat die fraglichen Informationen für die Anwendung und Durchsetzung seines Steuerrechts brauchen kann. Der automatische Informationsaustausch geht noch einen Schritt weiter: Hier tauschen Steuerbehörden Steuerinformationen automatisch periodisch (meist quartalsweise) in einem vorgegebenen Modus untereinander aus.

OECD macht Druck

Unter der Ägide der G-8- und G-20-Staaten [1] hat die OECD in den letzten Jahren einen Massnahmenkatalog gegen «Base Erosion and Profit Shifting» (BEPS) erarbeitet. Mit dem BEPS-Projekt verfolgt die OECD zwei Ziele:

  • Erstens will sie eine internationale doppelte Nichtbesteuerung insbesondere von mobilen Erträgen durch das Ausnutzen unterschiedlicher nationaler Steuerregeln verhindern.
  • Zweitens will sie sicherstellen, dass die Gewinne multinationaler Unternehmen dort besteuert werden, wo die gewinntreibenden Aktivitäten stattfinden.

[1] G8: Gruppe der sieben bedeutendsten Industrienationen plus Russland. Dazu gehören Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, USA und das Vereinigte Königreich. G20: Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer. Dazu gehören die G8-Staaten plus Argentinien, Australien, Brasilien, China, Indien, Indonesien, Mexiko, Saudi-Arabien, Südafrika, Südkorea, die Türkei und die restliche EU.

Am 5. Oktober 2015 hat die OECD ihren Schlussbericht zu den 15 BEPS-Massnahmen und ihre Empfehlungen veröffentlicht. Es werden weitere Instrumente folgen, mit denen die OECD die korrekte Umsetzung der BEPS-Massnahmen überwachen kann. Diese sind nicht industriespezifisch, sondern richten sich grundsätzlich an sämtliche multinationalen Unternehmen.
Ein Country-by-Country Reporting soll jedoch nach Empfehlung der OECD vorerst für multinationale Unternehmen mit einem konsolidierten Jahresumsatz von mindestens 750 Millionen EUR obligatorisch sein.

Zwei Schwerpunkte mit hohen Ansprüchen

Besondere Aufmerksamkeit gilt den Transparenzregeln zum Country-by-Country-Reporting und zur Verrechnungspreisdokumentation (BEPS-Massnahme 13) sowie dem spontanen Austausch von Steuerrulings (BEPS-Massnahme 5).

  • Die Massnahme 13 definiert den Inhalt des Country-by-Country-Reporting und legt Angaben zur Struktur sowie zum Inhalt der Verrechnungspreisdokumentation fest (zweiteiliger Aufbau aus «Master File» und «Local Files»). Auf Länderebene müssen die Unternehmen den Steuerbehörden unter anderem die folgenden Angaben offenlegen: Umsatz mit unabhängigen Dritten und mit Konzerngesellschaften, Vorsteuergewinn, bezahlte Gewinnsteuern, Anzahl Mitarbeiter, hauptsächliche Geschäftsaktivitäten.
    Es bleibt den nationalen Gesetzgebern überlassen, wie sie diese Vorgaben in ihrem Landesrecht umsetzen. Die OECD hat nicht festgelegt, ob Kennzahlen wie Umsatz oder Vorsteuergewinn durch die Aggregation der Zahlen auf Basis geprüfter statutarischer Einzelabschlüsse («bottom-up») oder durch die Allokation von IFRS-Konzernzahlen auf die einzelnen Länder («top-down») zu ermitteln sind.
  • Die Massnahme 5 bezweckt den spontanen grenzüberschreitenden Austausch von Steuerrulings, die «schädliche Steuerregimes» betreffen oder möglicherweise den Grundsätzen und Zielen von BEPS widersprechen. Für die Schweiz stehen die als schädlich erachteten Rulings für Holding- und Verwaltungsgesellschaften, gemischte Gesellschaften und die Prinzipalrulings im Fokus. Im Weiteren zeigt die Massnahme 5 auf, wie die Staaten ihre zukünftige Rulingpraxis ausgestalten sollen.

Gesetzgeber weltweit dabei

Parallel zum BEPS-Projekt hat auch die EU ihre Richtlinien angepasst, die ab dem 1. Januar 2016 den Weg zum automatischen Rulingaustausch ebnen. Zudem werden zurzeit rund um den Globus nationale Gesetze zu Verrechnungspreisen und deren Dokumentation angepasst und erweitert. Auch Schweizer Konzerne können von solchen Regeln betroffen sein – mindestens indirekt, wenn diese auf ihre ausländischen Konzerngesellschaften anwendbar sind. Die Teilnahme der wichtigsten Wirtschaftsstandorte am BEPS-Projekt soll zu einheitlicheren Regeln für den weltweiten Steuerwettbewerb führen («level playing field»).

Schweiz schon länger aktiv

Wie andere OECD-Staaten muss auch die Schweiz gewisse Anpassungen ihres Rechts und ihrer Steuerpraxis vornehmen, damit sie die BEPS-Massnahmen umsetzen kann. Einige Aspekte davon hat sie bereits im Entwurf der Unternehmenssteuerreform III berücksichtigt; so etwa die Abschaffung der Steuerregimes für Holding- und Verwaltungsgesellschaften und gemischte Gesellschaften oder die Prinzipalrulings.
Beim spontanen Informationsaustausch bietet die Schweiz ebenfalls Hand. Ende 2013 hat sie das multilaterale «Übereinkommen über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen» der OECD und des Europarats unterzeichnet. Damit hat sie sich zur Einführung des spontanen Informationsaustauschs verpflichtet, wie dies die BEPS-Massnahme 5 vorsieht. Die Schweizer Steuerbehörden sollen ab 2018 Steuerdaten von 2017 spontan austauschen. Der Bundesrat hat im Sommer 2015 seine Botschaft dazu ans Parlament verabschiedet und die parlamentarische Beratung über die Ratifizierung des Abkommens in Gang gesetzt. Bis in rund drei Jahren soll die rechtliche Grundlage für ein Country-by-Country-Reporting im Schweizer Recht vorliegen.

International tätige Schweizer Unternehmen gefordert

Die Umsetzung des BEPS-Projekts gibt auch Schweizer Unternehmen so manche Herkulesaufgaben auf. Der spontane Rulingaustausch stellt die wohl wichtigste Forderung dar. Demnach müssen die Unternehmen einige Schlüsselfragen beantworten: Welche Rulings wurden in der Schweiz und weltweit abgeschlossen, und welche sind noch in Kraft? Bei welchen Rulings werden die Steuerbehörden wahrscheinlich Daten austauschen? Welche Informationen können so an welche ausländischen Steuerbehörden gelangen? Was bedeutet das zum Beispiel für die Besteuerung ausländischer Konzerngesellschaften? Zudem müssen die Unternehmen prüfen, wie sie etwa die Umformulierung in einen BEPS-konformen Wortlaut vornehmen oder wie sie die Angaben für den Austausch in relevante und irrelevante Informationen gliedern. Eventuell gilt es zu überlegen, wie sie sich aus einem Ruling zurückziehen und auf eine passende Alternative umsteigen. Im Hinblick auf das Country-by-Country-Reporting stehen die Datenbeschaffung und die damit verbundenen Prozesse im Vordergrund: Wo sind welche Zahlen wie schnell verfügbar? Wie sicher sind die Datenquellen? Aus der Auswertung und Darstellung dieser Zahlen können Schweizer Unternehmen erkennen, ob sie ihre Konzernstruktur oder ihre Verrechnungspreisgestaltung anpassen müssen.

Fazit

Fakt ist: Die Entwicklungen im Bereich der Steuertransparenz fegen wie ein «Wind of Change» durch den Wirtschaftsstandort Schweiz und die Schweizer Unternehmenslandschaft. Als Führungskraft eines multinationalen Unternehmens sollten Sie deshalb die Schlüsselfragen aus dem Country-by-Country-Reporting und aus dem Austausch von Steuerrulings klären; immerhin müssen Sie allfällige Anpassungen in Ihrem Konzern bereits vor Ende 2016 vornehmen.

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Bruno Hollenstein

Bruno Hollenstein

Partner and Leader Connected Compliance, PwC Switzerland

Tel.: +41 58 792 43 72

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