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Mehr Licht in der Blackbox - die neue Berichterstattung des Abschlussprüfers


Prof. Dr. rer. pol. Thomas Berndt
Professor Universität St. Gallen

Transparenz im Konzernabschluss soll die Qualität von Investorenentscheidungen verbessern, vor bilanzpolitischen Massnahmen der Unternehmen schützen und ganz allgemein die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte erhöhen. Entsprechend sind Umfang und Detaillierungsgrad der von den börsennotierten Gesellschaften offenzulegenden Informationen in der Vergangenheit erheblich gestiegen. Die neuen Prüfungsstandards führen zu einem erweiterten Bestätigungsvermerk mit Key Audit Matters und explizit umschriebenen Verantwortlichkeiten. Dieser Bestätigungsvermerk ist erheblich unternehmensindividueller und transparenter. Insgesamt schafft die erhöhte Transparenz die Grundlage für mehr Vertrauen in die Abschlussprüfung, verbesserte Prüfungsqualität und letztlich erhöhten Schutz der Rechnungslegungsadressaten.

Sunlight is said to be the best of disinfectants.» [1] Dass Licht, also Transparenz, der beste Schutz für Kapitalmarktteilnehmer sei, ist seit nunmehr über 100 Jahren eine der Leitlinien der Regulatoren. Transparenz soll die Qualität von Investorenentscheidungen verbessern, vor bilanzpolitischen Massnahmen der Unternehmen schützen und ganz allgemein die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte erhöhen. Entsprechend sind Umfang und Detaillierungsgrad der pflichtgemäss von den börsennotierten Gesellschaften offenzulegenden Informationen in der Vergangenheit erheblich gestiegen. Hatten Konzernabschlüsse noch bis in die 90-er Jahre des vergangenen Jahrhunderts oftmals einen überschaubaren Umfang, so umfassen heutige durchschnittliche Geschäftsberichte nicht selten um die 200 Seiten, in hoch regulierten Branchen wie etwa im Banken- und Versicherungsbereich noch deutlich mehr. Vergütungsberichterstattung, Risikoberichterstattung, Segmentberichterstattung, Informationen über Unternehmenszusammenschlüsse, Wertberichtigungen, Finanzinstrumente, Pensionsverpflichtungen, nahestehende Personen: Es gibt kaum einen Bereich zur wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens, über den dieses nicht zur Rechenschaftslegung verpflichtet würde. Demnächst kommt durch die Europäische Union verordnet noch eine «Nichtfinanzielle Erklärung zur Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerlage sowie die Achtung der Menschenrechte und Bekämpfung der Korruption in den Lagebericht» [2] hinzu.

[1] Vgl. Brandeis: Other People’s Money, and How the Bankers Use it, New York 1914, S. 92.

[2] Vgl. EU-Richtlinie 2014/95/EU vom 22.10.2014 zur Änderung der Richtlinie 2013/34/EU im Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte grosse Unternehmen und Gruppen, ABl EU L 330/1 vom 15.11.2014.

Umso mehr mag man sich fragen, wie diese schiere Fülle von Informationen innerhalb angemessener Zeit von einem Abschlussprüfer geprüft und ein fundiertes Prüfungsurteil über die Ordnungsmässigkeit des Jahres- oder Konzernabschlusses erstellt werden kann. Für die überwiegende Mehrzahl der an der Berichterstattung der Unternehmen Interessierten ist das Zustandekommen des Prüfungsurteils des Abschlussprüfers praktisch eine «Blackbox»; der Prüfungsbericht interessiert letztlich nur, falls er eingeschränkt oder in wenigen Ausnahmefällen sogar versagt wird. Ansonsten geht man schlicht davon aus, die dargestellte wirtschaftliche Lage entspreche – quasi formal bestätigt durch den Abschlussprüfer – den tatsächlichen Verhältnissen. Die Unkenntnis über den konkreten Prozess, über Umfang und Gegenstand der Abschlussprüfung hat zu der in Theorie und Praxis viel diskutierten Erwartungslücke wesentlich beigetragen, also dem Auseinanderklaffen der Erwartungen einer interessierten Öffentlichkeit an die Abschlussprüfung einerseits und den tatsächlich zu erbringenden Prüfungsleistungen aus Sicht des Abschlussprüfers andererseits. [3] So mancher (naive) Investor wundert sich noch immer über ein uneingeschränktes Prüfungsurteil trotz Briefkastenfirmen des Konzerns, falscher Abgastests, grosser Fehlinvestitionen oder tiefroter Ergebnisse.

[3] Vgl. Biener, Die Erwartungslücke – eine endlose Geschichte, sowie Niehus, Zum Bestätigungsvermerk von internationalen Jahresabschlüssen – Neue Risiken für die «Erwartungslücke», beide in: Internationale Wirtschaftsprüfung, Festschrift für Hans Havermann, hrsg. von Josef Lanfermann, Düsseldorf 1995, S. 37-63; Böcking, Kann das «Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG)» einen Beitrag zur Verringerung der Erwartungslücke leisten? – Eine Würdigung auf Basis von Rechnungslegung und Kapitalmarkt, WPg S. 351-364; Clemm, Abschlussprüfer als Krisenwarner – Überlegungen zu Möglichkeiten und Grenzen einer Ausfüllung der sogenannten «Erwartungslücke», insbes. durch eine intensivere Prüfung der wirtschaftlichen Lage und des Lageberichts, WPK-Mitteilungen, 34. Jg. (1995), S. 65-78; Forster, Zur «Erwartungslücke» bei der Abschlussprüfung, WPg S. 789-795.

Neue und überarbeitete Standards

Neue Vorgaben für den Berufsstand sollen Licht in die Blackbox der Abschlussprüfung bringen, den Informationsnutzen des Prüfungsberichts erhöhen und die Erwartungslücke schliessen. Insgesamt hat der International Auditing and Accounting Standards Board (IAASB) hierzu ein Paket von fünf neuen beziehungsweise überarbeiteten Prüfungsstandards herausgegeben:

  • ISA 700 (revised): Forming an Opinion and Reporting on Financial Statements
  • ISA 701: Communicating Key Audit Matters in the Independent Auditor’s Report’s
  • ISA 705 (revised): Modifications to the Opinion in the Independent Auditor’s Report
  • ISA 706 (revised): Emphasis of Matter Paragraphs and Other Matter Paragraphs in the Independent Auditor’s Report
  • ISA 720 (revised): The Auditor’s Responsibilities Relating to Other Information


Für die Adressaten testierter Abschlüsse sind insbesondere ISA 700 (revised) sowie der neue ISA 701 von grösstem Interesse. Sie sind – zusammen mit weiteren Änderungen – in der EU für die Berichtsperioden ab dem 16.06.2016 für die Prüfung von börsennotierten Unternehmen – beziehungsweise in der Terminologie der Europäischen Union: Unternehmen von öffentlichem Interesse – verbindlich. [4] Für schweizerische börsennotierte Gesellschaften wird ISA 701 ab dem 21.12.2016 verpflichtend, und nach der Überführung in die Schweizer Prüfungsstandards sind voraussichtlich ab 2018 grundsätzlich alle ordentlichen Abschlussprüfungen nach den neuen Vorgaben zu erstellen.

Im Kern geht es dabei inhaltlich um drei Aspekte:

Erstens führen die neuen Vorgaben zu einer Abkehr vom altbekannten standardisierten Formeltestat. Stattdessen werden umfangreiche unternehmensindividuelle Angaben zur Abschlussprüfung im Prüfungsbericht verlangt. Nicht nur über das Prüfungsurteil an sich ist also zu informieren, sondern über die unternehmensindividuellen Grundlagen, die zu dem Prüfungsurteil des Abschlussprüfers geführt haben.

Zweitens – und damit eng zusammenhängend – muss der Abschlussprüfer über besonders wichtige Prüfungssachverhalte berichten. Es sind dies die sogenannten Key Audit Matters (KAM). Da die Abschlussprüfung darauf ausgerichtet ist, ein Prüfungsurteil über den Abschluss als Ganzes mit hinreichender Sicherheit abzugeben, ist im Rahmen eines risikoorientierten Prüfungsansatzes eine Erfassung aller wesentlichen Sachverhalte durch die Prüfung sicherzustellen. Die neuen Vorgaben ändern insofern zwar nicht das grundsätzliche methodische Vorgehen im Rahmen der Abschlussprüfung. Aber sie führen zu einer erstmaligen Veröffentlichung bisher prüfungsinterner Angaben. In Zukunft wird man also ausführliche Informationen über zwei bis fünf KAM für das Prüfungsurteil besonders zentrale Sachverhalte aus Sicht des Abschlussprüfers erwarten dürfen. Dabei ist zunächst auf die Identifizierung der wesentlichen Sachverhalte einzugehen, etwa qualitative und quantitative Wesentlichkeitsgrenzen, sowie auf den Zusammenhang mit der Abschlussprüfung, zum Beispiel aufgrund der Komplexität des Sachverhalts, seiner überragenden Bedeutung für die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage oder der bilanzpolitischen Ermessensspielräume des Managements. Anschliessend ist das entsprechende spezifische prüferische Vorgehen zu erläutern und abschliessend noch ein Verweis auf weitergehende Informationen im Abschluss des Unternehmens anzubringen. In der Praxis wird es diesbezüglich in Einzelfällen zu Auseinandersetzungen zwischen Abschlussprüfer und Abschlussersteller kommen; denn die Wesentlichkeitsaspekte einer risikoorientierten Prüfung müssen nicht identisch sein mit den Wesentlichkeitsaspekten bei der Erstellung des Abschlusses. So weisen etwa bereits zahlreiche IFRS-Vorschriften (z.B. IAS 1.122 und .125, IAS 36.134(f), IFRS 13.92(d) und (h)) auf die Offenlegung von wesentlichen Schätzungsunsicherheiten und Ermessensspielräumen hin.

Drittens sehen die neuen Vorschriften eine explizite Beschreibung der jeweiligen Verantwortlichkeiten des Abschlussprüfers einerseits und der gesetzlichen Vertreter des Unternehmens in Bezug auf die Rechnungslegung andererseits vor. Damit soll dem verbreiteten Missverständnis in der Öffentlichkeit entgegengewirkt werden, der Abschlussprüfer solle oder könne selbst an der Erstellung des Abschlusses mitwirken und eigenständig erkannte Schwachstellen beseitigen. [5]

[4] Vgl. auch Art. 10 Abs. 2c(i) der EU-Verordnung Nr. 537/2014 vom 16.04.2014 über spezifische Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse und zur Aufhebung des Beschlusses 2005/909/EG der Kommission, ABl EU L 158/77 vom 27.05.2015, wonach der Bestätigungsvermerk zur Untermauerung des Prüfungsurteils «eine Beschreibung der bedeutsamsten beurteilten Risiken wesentlicher falscher Darstellungen einschliesslich der beurteilten Risiken wesentlicher falscher Darstellungen aufgrund von Betrug» enthalten muss.

[5] gl. zum Überblick über die Neuregelungen z.B. Dolensky, Der neue Bestätigungsvermerk nach ISA 700 (revised) und ISA 701, IRZ (2016) S. 137-142; Burgener, Neuer Revisionsbericht: mehr Vertrauen, mehr Transparenz, Disclose, Heft 1 (2016) S. 61-67.

Beispiele aus der Praxis

Während es in Grossbritannien und den Niederlanden schon seit 2013 zahlreiche Unternehmen gibt, deren Bericht des Abschlussprüfers bereits die künftigen Vorgaben erfüllt [6], haben mit der Leonteq Ltd. in der Schweiz und der TUI AG in Deutschland erstmalig im deutschsprachigen Raum Unternehmen in dieser Berichtssaison freiwillig einen erweiterten Prüfbericht in ihren Geschäftsbericht aufgenommen. Aus dem knapp einseitigen formelhaften Prüfungsbericht ist bei Leonteq ein rund sechsseitiger, bei TUI sogar ein neunseitiger ausführlicher Bericht der Revisionsstelle geworden. Besonders positiv fällt bei Leonteq auf, dass hier von der Revisionsstelle explizit eine materielle Wesentlichkeitsgrenze benannt wird (5% of profit before tax) und anschliessend mit der Bewertung von komplexen, zum fair value bewerteten Finanzinstrumenten, der Umsatzrealisierung und dem Portfolio- und Risk-Management-System drei Key Audit Matters identifiziert werden. Bei TUI sind es sogar sechs (Erwerb der Anteile nicht beherrschender Gesellschafter, Werthaltigkeit des Geschäfts- oder Firmenwerts, Werthaltigkeit einer Beteiligung, Rückstellungen und andere Bereiche von Ermessensspielräumen, latente Steuern auf Verlustvorträgen sowie Bereinigung des EBITA).

[6] Vgl. dazu Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW): Analysis of Auditor Reporting on Key Audit Matters (KAM) in the UK and the Netherlands, Juni 2015.

Die beiden Beispiele verdeutlichen: Der neue Prüfungsbericht ist erheblich unternehmensindividueller und transparenter. Dadurch erscheint er grundsätzlich geeignet, den Investoren ein besseres Verständnis vom Sinn und Zweck der Abschlussprüfung und den für die Beurteilung der Finanzberichterstattung kritischen Sachverhalt zu gewähren. Die Rechnungslegungsadressaten erhalten somit erstmals Informationen, die bisher nur zwischen Abschlussprüfer und Verwaltungs-/ Aufsichtsrat ausgetauscht wurden.

Nach der Identifizierung der Key Audit Matters werden sodann die daraus abgeleiteten Konsequenzen für den risikoorientierten Prüfungsansatz in den jeweiligen Prüfungsfeldern erläutert. Hierbei geht es zumeist um die Prüfungstechnik, wie zu einem angemessenen Prüfungsurteil gelangt werden kann. Erwähnt werden beispielsweise Sensitivitätsanalysen, Stichprobentests, Back-Testing-Verfahren, Effektivitätstests von Kontrollaktivitäten des Unternehmens, Plausibilitätstests mit Budgetplänen und/ oder Markterwartungen, Überprüfung von Bewertungsmodellen etc. Selbst wenn diese Informationen für den interessierten Laien nicht unmittelbar verständlich sein sollten, so erkennt er doch, dass vielen Sachverhalten, die für die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens wesentlich sind, Annahmen, Schätzungen und Ermessensspielräume zugrunde liegen. Ein Nachvollziehen und – innerhalb einer gewissen Bandbreite – Plausibilisieren dieser Annahmen kann dann vom Abschlussprüfer erwartet werden. Dies nicht nur allgemein, sondern unternehmensindividuell aufzuzeigen, ist ein wichtiger, positiver Aspekt des neuen Prüfungsberichts.

Mit kritischem Blick

Sind gerade die Key Audit Matters geeignet, Licht in die Blackbox der Abschlussprüfung zu bringen, so gilt doch auch: Wo Licht ist, ist auch Schatten. Als Kritikpunkte an dem neuen Prüfungsbericht werden unter anderem fünf Aspekte genannt: [7]

  1. die Abkehr vom einfachen Formeltestat
  2. der gestiegene Informationsumfang
  3. die Unbestimmtheit des Begriffs der Key Audit Matters
  4. ein möglicherweise gesteigertes Haftungsrisiko der Abschlussprüfer
  5. die unklaren zu erwartenden Kapitalmarktreaktionen

[7] Allgemein zur Diskussion vgl. Arbeitskreis Externe und Interne Überwachung der Unternehmung der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V. (AKEIÜ): Zur künftigen Entwicklung der Abschlussprüfung, DB S. 1149-1155.

Das erste Argument zielt letztlich auf das Interesse am Ergebnis einer Beurteilung vieler Investoren ab – ähnlich wie beim Kreditrating – und gar nicht auf das technische Zustandekommen. Das mag sicherlich für einzelne laienhafte Investoren zutreffen, für den professionellen Investor aber doch wohl eher nicht. So wie manche laienhafte Investoren nur auf einzelne Bilanzkennzahlen wie etwa den Gewinn pro Aktie, das Betriebsergebnis oder eine Eigenkapitalquote schauen mögen, so selbstverständlich werden professionelle Investoren das Zustandekommen dieser Zahlen durch das Hinzuziehen ergänzender Anhangangaben verstehen und hinterfragen wollen. Auch der neue Prüfungsbericht enthält nach wie vor ein dem heutigen Formeltestat vergleichbares, kurz zusammengefasstes Prüfungsurteil. Wer hingegen mehr über Prüfungsschwerpunkte und Risiken für die Darstellung der Finanzberichterstattung erfahren will, der hat nun erstmals ein geeignetes Informationsinstrument in der Hand und rückt daher ein wenig näher an den Informationsstand des Verwaltungs- bzw. Aufsichtsrats.

Das zweite Argument des gestiegenen Informationsumfangs ist nicht zu leugnen. Allerdings enthält der neue Prüfungsbericht tatsächlich neue, bisher nicht verfügbare Informationen. Es bleibt insofern abzuwarten, ob diese Informationen nur von den Regulatoren und den Abschlussprüfern als entscheidungsnützlich unterstellt sind oder ob sie tatsächlich von den Investoren als nützlich angesehen werden. Wer jedenfalls tatsächlich oder auch nur vermeintlich fehlendes Vertrauen in die Tätigkeit des Abschlussprüfers beklagt, wird zugeben müssen, dass Transparenz und Kommunikation grundsätzlich geeignet sind, dieses Vertrauen (wieder) aufzubauen und zu stärken.

Zum dritten Argument: Ein Kern der neuen Vorgaben ist die Identifizierung und Auseinandersetzung mit den Key Audit Matters. Gerade daran entzündet sich die Diskussion, was jedoch nicht überrascht. Da die Geschäftsmodelle, das interne Kontrollsystem und die Organisation der Rechnungslegung unternehmensindividuell sind, sind es auch die Key Audit Matters. Das haben bereits die zuvor angeführten Beispiele von Leonteq und TUI gezeigt. Es gibt die nicht unbegründete Sorge, das alte Formeltestat sei zwar verständlich und vergleichbar, der neue Prüfungsbericht hingegen nicht. Er könne sogar zu neuen Missverständnisse führen, mithin die Erwartungslücke noch ausweiten, so weitere Bedenken. Dem ist insofern entgegenzuhalten, dass die Auswahl der Key Audit Matters nicht in das willkürliche Belieben der Revisionsstelle gestellt ist. Der Standard bestimmt zu deren Identifizierung eine systematische Vorgehensweise: Zunächst sind diejenigen Sachverhalte zu bestimmen, die aufgrund der Erkenntnisse des Vorjahres, konkreter Umstände oder gesetzlicher Vorgaben ohnehin mit den Verantwortlichen der Gesellschaft zu besprechen sind. Aus dieser Informationsmenge sind dann Sachverhalte, die etwa aufgrund ihrer Komplexität, Fehleranfälligkeit oder hohen Ermessensspielräume die erhöhte Aufmerksamkeit der Revisionsstelle erfordern. Erst abschliessend sind die aus Sicht des Abschlussprüfers besonders wesentlichen Sachverhalte zu identifizieren und die Auswahl zu begründen. Diese Begrenzung der Berichterstattung des Abschlussprüfers auf wesentliche Aspekte sollte im Übrigen auch im Interesse der Abschlussadressaten sein und einer Informationsüberfrachtung vorbeugen. Massgeblich muss das Gesamtbild sein, unmassgeblich – und rechtlich ohnehin durchaus umstritten – wäre hingegen eine detailreiche Wiedergabe praktisch des gesamten Prüfberichts.

Das vierte Argument betrifft die Sicht des Abschlussprüfers und die teilweise geäusserte Besorgnis, das Konzept der Key Audit Matters könne das Haftungsrisiko erhöhen. Bisherige Erfahrungen in Grossbritannien und den Niederlanden bestätigen dies indes nicht. Auch wird ja letztlich nur offengelegt, was ohnehin bereits zuvor in weiten Teilen dem risikoorientierten Prüfungsansatz entsprochen hat. Im Gegenteil können sich durch die Transparenz der Vorgehensweise durchaus auch Chancen ergeben, nämlich die eigene Prüfungsleistung wahrnehmbar und die Prüfungsqualität deutlich zu machen. Wenn Indikatoren wie quantitative Wesentlichkeitsgrenzen in vergleichbarer Form offengelegt werden, dann kann dies insgesamt die Prüfungsqualität erhöhen.

Das abschliessende fünfte Argument greift die unklaren Kapitalmarktreaktionen auf. Manchen Stimmen gehen die neuen Vorgaben noch nicht weit genug: Das blosse Identifizieren und Kommunizieren von wesentlichen Prüfungssachverhalten und den daraus resultierenden Risiken genüge nicht. Es bleibe letztlich unklar, ob und wie diese Risiken in die Bewertungsmodelle der Investoren eingehen sollen. Ob die Angabe von Key Audit Matters für Unternehmen zu Bewertungszu- oder -abschlägen führt, kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht gesagt werden. Klar ist hingegen, dass sich an der Funktion der Abschlussprüfung nichts Grundsätzliches geändert hat: Es soll mit hinreichender Sicherheit ein Prüfungsurteil darüber erlangt werden, ob der Jahres-/ Konzernabschluss als Ganzes keine wesentlichen wissentlichen oder unwissentlichen Falschangaben enthält. Es soll hingegen auch weiterhin keine Investitionsempfehlung durch den Abschlussprüfer gegeben werden.

Fazit

Wird der neue Prüfungsbericht die mit ihm verfolgten Ziele erfüllen? Oder wird es am Ende aufgrund von Missverständnissen oder fehlendem Interesse vonseiten der Rechnungslegungsadressaten wie bei so mancher Transparenzinitiative heissen: «Sunlight can also be blinding»? Ohne Zweifel fällt mit den neuen Prüfungsstandards mehr Licht in die Blackbox der Abschlussprüfung: Die Transparenz des Revisionsberichts wird erhöht, Umfang und Verantwortlichkeiten der Abschlussprüfung werden verdeutlicht, und das Prüfungsurteil wird durch die Angabe von Key Audit Matters unternehmensindividuell begründet. Damit wären zugleich die Grundlagen für ein gesteigertes Vertrauen in die Rolle des Abschlussprüfers, die Verbesserung der Prüfungsqualität und damit letztlich für den verbesserten Schutz der Adressaten der Rechnungslegung gelegt. Unternehmen, der Berufsstand der Abschlussprüfer und die Investoren sollten diese Chance nutzen.

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Peter Eberli

Peter Eberli

Assurance Partner, Corporate Reporting Services Leader, PwC Switzerland

Tel.: +41 58 792 28 38

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