Aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichts zur interkantonalen Verlustverrechnung im Zusammenhang mit Immobiliengefässen

28 Sep 2020

Auch wenn bereits ein umfassendes System von Zuteilungsnormen für die Steuerausscheidung bei inter­kantonalen Unternehmen geschaffen wurde, können sich nach wie vor interkantonale Kollisionen ergeben, welche das Bundesgericht zu vermeiden hat. So hatte das Bundesgericht kürzlich Gelegenheit, einerseits die interkantonale Verlustverrechnung bei Immobiliengesellschaften und andererseits die interkantonale Verlustverrechnung bei steuerbefreiten kollektiven Kapitalanlagen mit direktem Grundeigentum zu klären.
Interkantonale Verlustverrechnung bei Immobiliengesellschaften gemäss BGer 2C_285/2018 vom 5. November 2019

Beim Urteil vom 5. November 2019 (2C_285/2018) geht es um den Sachverhalt einer Immobilien­gesellschaft mit Hauptsitz im Kanton AG und Spezialsteuerdomizilen (Kapitalanlageliegenschaften) im Kanton TG und in weiteren Kantonen. Die Immobiliengesellschaft hat zwar einen Gesamtgewinn erzielt; dieser wurde aber durch Verluste in einigen Spezialsteuerdomizilen geschmälert. Für die Verlustumlegung stützt sich der Kanton AG auf das SSK-KS Nr. 27 und verrechnete analog zur Deklaration die in einzelnen Kantonen erzielten Verluste proportional mit den Gewinnen in den anderen Kantonen. Der Kanton TG als Spezialsteuerdomizil hat im Unterschied zum Kanton AG aber die objektmässige Methode angewandt.

Bei konsequenter Anwendung führt keine der erwähnten Methoden für sich alleine zu einem Ausscheidungsverlust. Da jedoch zwei unterschiedliche Methoden zur Anwendung gelangen, ergibt sich ein Ausscheidungsverlust und damit ein Verstoss gegen das Verbot der interkantonalen Doppelbesteuerung.

In seinem Entscheid stützt das Bundesgericht die vom Kanton TG angewendete objektmässige Methode mit der Begründung, dass ein Methodenmix – d. h. die objektmässige Ermittlung der Gewinne bei gleichzeitiger quotaler Verlegung der Verluste – soweit möglich zu vermeiden sei. Danach sind bei Immobiliengesellschaften Verluste aus Spezialsteuerdomizilen in erster Linie mit Gewinnen am Hauptsteuerdomizil zu verrechnen und nur wenn der Gesamtverlust höher ist als der Gewinn am Hauptsteuerdomizil, kann die Differenz quotal mit den Gewinnen der übrigen Kantone verrechnet werden.

Mit seinem Urteil ändert das Bundesgericht eine in vielen Kantonen für Immobiliengesellschaften etablierte Praxis der quotalen Verlustverrechnung und stärkt den Grundsatz, wonach Liegen­schaftsgewinne am Ort der gelegenen Sache zu versteuern sind. Nichtdestotrotz wirft dieser Wandel zusätzliche Fragen auf, die noch zu lösen sind. Gilt diese neue Praxis nun für alle steuerpflichtigen Immobiliengefässe oder sollte je nach Gefäss eine Differenzierung erfolgen (z. B. bei reinen Anlagevehikeln, welche sowohl am Hauptsitz wie auch in den Kantonen lediglich Kapitalanlageliegenschaften halten)?

Interkantonale Verlustverrechnung bei gewinnsteuerbefreiten kollektiven Kapitalanlagen mit direktem Grundbesitz gemäss BGer 2C_216/2019 vom 28. Januar 2020

Vorsorgeeinrichtungen sind zwar von der Gewinn- und Kapitalsteuerpflicht befreit, sie unterliegen jedoch auf kantonaler Ebene der Grundstückgewinnsteuer (spezielle Praxis im Kanton Genf ist zu beachten). Erzielte eine Vorsorgeeinrichtung in der Vergangenheit bei einer Liegenschafts­veräusserung einen Verlust, konnte dieser mangels kantonaler Gesetzgebung oftmals nicht mit anderen Grundstückgewinnen verrechnet werden. Mit dem Urteil vom 5. Juli 2016 (2C_1080/2014) hatte das Bundesgericht bereits entschieden, dass in einem innerkantonalen Verhältnis die Verlustverrechnung bei Vorsorgeeinrichtungen möglich ist, auch wenn eine kantonale gesetzliche Grundlage fehlt. Dieses Urteil liess aber offen, ob auch eine interkantonale Verlustverrechung bei gewinnsteuerbefreiten Vorsorgeeinrichtungen (bzw. diesen gleichgestellten kollektiven Kapitalanlagen) anzuwenden ist.

Mit der interkantonalen Verlustverrechnung bei gewinnsteuerbefreiten kollektiven Kapitalanlagen mit direktem Grundeigentum (für diese gelten grundsätzlich dieselben Besteuerungsgrundsätze wie für steuerbefreite Vorsorgeeinrichtungen) hat sich nun das Bundesgericht im aktuellen Entscheid vom 28. Januar 2020 (2C_2016/2019) auseinandergesetzt. Das Bundesgericht hält im Urteil fest, dass es sich trotz der Gewinnsteuerbefreiung der kollektiven Kapitalanlage mit direktem Grundeigentum um einen interkantonalen Sachverhalt handelt und das Verbot der interkantonalen Doppelbe­steuerung (insbesondere das Schlechterstellungsverbot und Leistungsfähigkeitsprinzip) auch bei nichtperiodischen Steuern wie der Grundstückgewinnsteuer anwendbar ist. Es hält zudem allgemein fest, dass kollektive Kapitalanlagen mit direktem Grundeigentum ausschliesslich über Spezial­steuerdomizile verfügen und am Ort der Fondsleitung lediglich über einen künstlichen Sitz verfügen, welchem ausscheidungsrechtlich keine Bedeutung zukommt. Vor diesem Hintergrund hat das Bundesgericht die Zulässigkeit der interkantonalen Verrechnung von Grundstücksverlusten mit Grundstücksgewinnen bei gewinnsteuerbefreiten kollektiven Kapitalanlagen mit direktem Grundeigentum bestätigt.

Ebenfalls bezieht das Bundesgericht Stellung zur anzuwendenden Verlustverrechnungsmethode. Einerseits hält es fest, dass keine spartenübergreifenden Verlustverrechnungen zugelassen sind – d. h. Veräusserungsverluste der steuerbaren Sparte können nicht mit Liegenschaftserträgen der steuerfreien Sparte verrechnet werden. Andererseits sind in Anlehnung an die Grundsätze des SSK-KS Nr. 27 in einem ersten Schritt allfällige Veräusserungsverluste mit im gleichen Kanton erzielten Wertzuwachsgewinnen zu verrechnen, und ein verbleibender Verlust ist interkantonal auf die übrigen Kantone quotal im Verhältnis zu dort erzielten Nettowertzuwachsgewinnen zu verlegen.

Da für steuerbefreite kollektive Kapitalanlagen mit direktem Grundeigentum dieselben Besteuerungs­grundsätze gelten wie für steuerbefreite Vorsorgeeinrichtungen, sollte zukünftig eine interkantonale Verrechnung von Grundstückverlusten mit Grundstückgewinnen auch bei steuerbefreiten Vorsorgeeinrichtungen möglich sein. Eine unterschiedliche Behandlung wäre aus unserer Sicht nicht gerechtfertigt.

Auswirkungen auf verschiedene Immobiliengefässe

Bei interkantonal tätigen Immobiliengesellschaften mag das Urteil 2C_285/2018 zwar klarstellen, dass der Hauptsitz einen allfälligen Verlustüberhang aus Spezialsteuerdomizilen in einem ersten Schritt zu übernehmen hat und erst ein den Gewinn am Hauptsteuerdomizil überschiessender Verlust quotal auf die anderen Kantone umgelegt werden kann. Aber es besteht noch weiterer Klärungsbedarf, da diese Methode nicht zwingend alle Immobiliengefässe umfasst. Insbesondere deckt dieses Urteil den speziellen Sachverhalt bei steuerpflichtigen kollektiven Kapitalanlagen mit direktem Grundeigentum unseres Erachtens nicht ab. Dies deshalb, da der Sitz der Fondsleitung (unabhängig davon, ob die kollektive Kapitalanlage in diesem Kanton Immobilieneigentum hat oder nicht) aus rein praktischen Überlegungen als formeller Sitz der kollektiven Kapitalanlage mit direktem Grundeigentum fungiert und im Veranlagungs- und Ausscheidungsverfahren die administrativ leitende Rolle zu übernehmen hat.

Einigkeit besteht grundsätzlich darüber, dass bei interkantonalen Immobiliengefässen keine Ausscheidungsverluste entstehen dürfen. Da jedoch die interkantonalen Sachverhalte der unterschiedlichen Immobiliengefässe sehr vielfältig sein können, empfehlen wir die möglichen Auswirkungen (z.B. bei den laufenden und latenten Steuerberechnungen) für den konkreten Einzelfall im Detail zu analysieren.

 

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