Finanzielle Verpflichtungen in Bezug auf Rentnerbestände – faire Regelungen sind möglich

14 Aug 2020

In unserem Blog zu den sich im Zusammenhang mit der COVID-19 Pandemie für Arbeitgeber und Vorsorgeeinrichtungen stellenden Herausforderungen wurde unter anderem aufgezeigt, inwiefern auch die Vorsorgeeinrichtungen von Veränderungen auf Seiten des Arbeitgebers direkt betroffen sein können. Dabei können insbesondere im Zusammenhang mit einer Auflösung des Anschlussvertrages finanzielle Verpflichtungen in Bezug auf Rentnerbestände entstehen. Nachfolgend werden diese möglichen finanziellen Verpflichtungen näher betrachtet und Möglichkeiten aufgezeigt, wie diese sowohl für den Arbeitgeber als auch für die Vorsorgeeinrichtung auf faire Weise geregelt werden können.

Woraus ergeben sich die finanziellen Pflichten in Bezug auf Rentnerbestände?

Die Grundsätze in Bezug auf das Schicksal von Rentnerbeständen bei einer Auflösung eines Anschlussvertrages werden in Art. 53e BVG geregelt:

  • Kündigung durch Arbeitgeber: Die bisherige und die neue Vorsorgeeinrichtung haben sich über den Verbleib oder den Wechsel der Rentenbezüger zu einigen, sofern der Anschlussvertrag für diesen Fall keine Regelung vorsieht. Fehlt eine solche Regelung im Anschlussvertrag oder kommt keine Einigung zu Stande, verbleiben die Rentenbezüger bei der bisherigen Vorsorgeeinrichtung.
  • Kündigung durch Vorsorgeeinrichtung: Die bisherige und die neue Vorsorgeeinrichtung haben sich über den Verbleib oder den Wechsel der Rentenbezüger zu einigen. Kommt keine Vereinbarung zu Stande, so verbleiben die Rentenbezüger bei der bisherigen Vorsorgeeinrichtung.

Unabhängig von welcher Partei ein Anschlussvertrag gekündigt wird, besteht aufgrund der gesetzlichen Grundlagen in beiden Fällen die Möglichkeit, dass ein Rentnerbestand trotz Kündigung des Anschlussvertrages bei der Pensionskasse verbleibt. In diesem Fall bleibt gestützt auf Art. 53e Abs. 6 BVG der Anschlussvertrag in Bezug auf diesen Rentnerbestand bestehen. Es wird jedoch durch den Gesetzgeber nicht weiter präzisiert, welche finanziellen Verpflichtungen seitens des Arbeitgebers in Bezug auf die verbleibenden Rentner mit dem Aufrechterhalten des Anschlussvertrages verbunden sind. Im BGE 144 V 173 wurde festgehalten, dass eine mögliche Ausfinanzierungspflicht des Arbeitgebers hinsichtlich der Rentner anschlussvertraglicher Natur sei. Die finanziellen Verpflichtungen des Arbeitgebers gegenüber einem verbleibenden Rentnerbestand müssten folglich über den Anschlussvertrag geregelt werden. Aus naheliegenden Gründen sollte eine entsprechende Anpassung des Anschlussvertrages geprüft werden, solange dieser Anschluss noch über aktive Versicherte verfügt.

Gestaltungsspielraum im Rahmen des Anschlussvertrages

Es bieten sich aus Sicht der Vorsorgeeinrichtung viele Gestaltungsmöglichkeiten, inwiefern sich der Arbeitgeber an den möglichen finanziellen Verpflichtungen gegenüber dem zurückgelassenen Rentnerbestand beteiligen soll. Dabei sollen die Interessen und Möglichkeiten des Arbeitgebers und der Vorsorgeeinrichtung unter Berücksichtigung der Art der Auflösung des Anschlussvertrages ausgewogen und fair berücksichtigt werden, wie dies auch nachfolgend dargestellt wird. Dies ist aus Sicht der Vorsorgeeinrichtung insbesondere wichtig, da sich die Sanierbarkeit durch Zunahme der Rentnerpopulation verschlechtert. Gerade die Folgen des Wegfalls der Anschlussvoraussetzungen an die Vorsorgeeinrichtungen oder des Konkurses des Arbeitgebers werden in den Anschlussverträgen oft nicht explizit geregelt.

Vor diesem Hintergrund haben wir unter Berücksichtigung der konkreten Situation einer Vorsorgeeinrichtung folgende anschlussvertragliche Szenarien und damit verbundenen Folgen ausgearbeitet: 

Art der Auflösung Gestaltungsmöglichkeiten
Ordentliche Kündigung durch Arbeitgeber
  • Grundsatz: Übertragung des Rentnerbestandes an die neue Vorsorgeeinrichtung.
  • Falls nicht möglich - Verbleib des Rentnerbestandes: Ausfinanzierung der Rentner durch den Arbeitgeber anhand eines vordefinierten Prinzips (Einmalzahlung) sowie bei einer allfälligen späteren Unterdeckung Verpflichtung zur Beteiligung des Arbeitgebers an den vom Stiftungsrat beschlossenen Sanierungsmassnahmen in Bezug auf die verbliebenen Rentner.
  • Kostenübernahme der Vertragsauflösung durch den Arbeitgeber.

 
Ausserordentliche Kündigung durch Vorsorgeeinrichtung als Folge von Verletzungen von anschlussvertraglichen Pflichten
Auflösung nach Konkurs des Arbeitgebers oder des Wegfalls der Anschlussvoraussetzungen des Arbeitgebers
Ordentliche Kündigung durch Vorsorgeeinrichtung
  • Grundsatz: Übertragung des Rentnerbestandes an die neue Vorsorgeeinrichtung.
  • Falls nicht möglich - Verbleib des Rentnerbestandes: Bei einer allfälligen späteren Unterdeckung Verpflichtung zur Beteiligung des Arbeitgebers an den vom Stiftungsrat beschlossenen Sanierungsmassnahmen in Bezug auf die verbliebenen Rentner, sofern das Fortbestandsinteresse zum Zeitpunkt des Austritts der aktiv Versicherten im Rahmen der allfälligen Teilliquidation angemessen berücksichtigt worden ist.

Weiter ist es aus unserer Sicht empfehlenswert, im Anschlussvertrag für den Fall einer Unterdeckung prinzipiell die Erhebung von Sanierungsbeiträgen von Seiten des Arbeitgebers, insbesondere auch in Bezug auf die Rentner vorzusehen, und entsprechende reglementarische Grundlagen für die Erhebung von Sanierungsbeiträgen des Arbeitgebers unter Berücksichtigung der Struktur der Vorsorgeeinrichtung zu schaffen. 

Ausblick: Transfer von Rentnerbeständen

Rentnerbestände stellen für Vorsorgeeinrichtungen in vielerlei Hinsicht eine Herausforderung dar. Besondere anschlussvertragliche Verpflichtungen des Arbeitgebers in Bezug auf die Rentner können, wie bereits erläutert, eine Entlastung bringen. Ebenso könnte aus Sicht der abgebenden Vorsorgeeinrichtung ein Transfer von Rentnerbeständen an eine andere Vorsorgeeinrichtung zur Konsolidierung von Rentnerbeständen durchaus eine prüfenswerte Option sein. Die konkreten Herausforderungen und die damit verbundenen Fragestellungen und Optionen werden wir in einem noch folgenden Blog behandeln.

Zusammenfassung
  • Die Auflösung eines Anschlussvertrages kann in Bezug auf Rentnerbestände zu finanziellen Verpflichtungen führen. Diese ergeben sich aus den Regelungen im Anschlussvertrag zwischen Arbeitgeber und Vorsorgeeinrichtung.
  • Abhängig vom Hintergrund der Auflösung eines Anschlussvertrages bieten sich diverse Gestaltungsmöglichkeiten, um die finanziellen Verpflichtungen zwischen Arbeitgeber und Vorsorgeeinrichtung in Bezug auf Rentnerbestände fair auszugestalten.
  • Rentnerbestände stellen in vielerlei Hinsicht eine Herausforderung für Vorsorgeeinrichtungen dar. Ein Transfer an eine andere Vorsorgeeinrichtung zur Konsolidierung von Rentnerbeständen könnte eine interessante Option sein, auf welche wir in einem noch folgenden Blog eingehen werden.

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Annabelle Bürkle

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