Erfolgsmodell Schweiz: stark in der Krise, gestärkt aus der Krise

Gustav Baldinger Partner and Advisory Services Leader, PwC Switzerland 14 Mai 2020

Die Schweiz konnte im Angesicht der Krise aus einer Position der Stärke agieren – mit einem soliden Staatshaushalt, einer starken Wirtschaft, einer aktiven Zivilgesellschaft und soliden Infrastrukturen. Die Krise hat jedoch Schwächen des Schweizer Erfolgsmodells offenbart. Ein einfaches «Zurück zur Normalität» ist daher der falsche Weg, wenn die Schweiz auch in der nächsten Krise wieder aus einer Position der Stärke agieren möchte. Die Krise ist als Chance anzusehen, das Erfolgsmodell Schweiz fit für die Zukunft zu machen. In unserer Publikation «Die Krise nutzen und das Erfolgsmodell Schweiz fit für die Zukunft machen»» zeigen wir auf, wie unser Land seine bestehenden Stärken vor dem Hintergrund der Auswirkungen der Krise ausbauen und Schwächen abbauen kann.  Sie soll als Anregung für eine differenzierte und weitsichtige Debatte über die Weiterentwicklung der Schweiz dienen.

Neue Ära, neues Potenzial

Das Erfolgsmodell Schweiz im Angesicht der Covid-19-Krise

Unseren sieben Thesen gemeinsam ist, dass die aktuelle Covid-19-Krise einmalige Chancen bietet, die Schweiz als Staat sowie Lebens- und Wirtschaftraum weiterzuentwickeln.

Die Schweiz ist hervorragend aufgestellt, um diese Chancen zu nutzen. Sie verfügt über ein solides politisches System mit weitgehender Rechtssicherheit, einen bewährten Föderalismus , eine liberale Marktwirtschaft, enge diplomatische Beziehungen, eine durchschlagende Innovationskraft und ein ausgeprägtes unternehmerisches Denken von Bevölkerung und Wirtschaft

Sieben Thesen für ein zukunftsorientiertes Schweizer Erfolgsmodell 

Die Covid-19-Erfahrung kann die Schweiz stärker machen, so paradox das auch klingen mag. Denn sie bietet die einmalige Gelegenheit, offenbarte Schwächen des Erfolgsmodells Schweiz zu adressieren, in Zukunft noch schneller und tatkräftiger auf neue Herausforderungen reagieren und die Schweiz als Staat sowie Lebens- und Wirtschaftraum weiterentwickeln zu können. Diesen Handlungsspielraum haben wir in sieben Thesenfelder gegliedert und an den bewährten Stärken der Schweiz orientiert: 

Erfolgsmodell Schweiz stärken

Die Interventionsprogramme und sinkenden Steuereinnahmen werden den Staatshaushalt der Schweiz in Mitleidenschaft ziehen. Eine liberale Wirtschaftsordnung kann jedoch nicht längerfristig Profite privatisieren, aber Risiken vergesellschaften. Das Schweizer Erfolgsmodell - aufbauend auf Föderalismus, Subsidiarität, Liberalismus, Konkordanz, direkter Demokratie, Milizwesen und einem ausgeprägtem Unternehmertum der Bevölkerung – sind eine optimale Ausgangslage, damit die Schweiz auf die Herausforderungen hinsichtlich des Staatshaushalts und der prognostizierten Rezession bedürfnisgerecht und zielgenau reagieren kann. Gleichzeitig hat die Krise auch offenbart, dass in bestimmten Bereichen die Zusammenarbeit aller Akteure verbessert werden kann und dass auch ein Erfolgsmodell stetig weiterentwickelt und an neue Rahmenbedingungen. Sowohl an den Stärken wie auch den Schwächen gilt es anzusetzen.

Momentum der digitalen Transformation nutzen

Die Krise hat den deutlichen Nachholbedarf in der digitalen Transformation der öffentlichen Hand offenbart, aber gleichzeitig enorme Kräfte in Politik und Verwaltung freigesetzt und die Transformation beschleunigt. Diesen Schwung sollten die politischen Institutionen nutzen und den digitalen Wandel weiter vorantreiben. Damit ist die öffentliche Hand nicht nur besser für die nächste Krise gewappnet, sondern macht sie auch generell effizienter, innovativer und bedürfnisorientierter. Wesentlich für den digitalen Erfolg ist der Austausch der Staatsebenen untereinander und mit der Privatwirtschaft.

Internationale Zusammenarbeit intensivieren

Das Coronavirus kennt keine Grenzen. Und doch verstärkten sich in der Krisenzeit zum Teil protektionistische und nationalistische Ansätze. Die Schweiz als rohstoffarmes Land und grosse Exportnation ist besonders auf einen funktionierenden Aussenhandel und die internationale Zusammenarbeit angewiesen. Die Schweiz sollte ihre bewährten diplomatischen und internationalen Beziehungen zunutze machen, um den internationalen Handel und die Lieferketten robuster machen und auch die drängenden grenzüberschreitenden Herausforderungen wie Nachhaltigkeit und Biodiversität sowie Sicherheit auf die Agende der internationalen Staatengemeinschaft zu bringen.   

Innovationsvorsprung ausbauen

Die Schweiz gilt als internationaler Innovationshub mit einem hervorragenden dualen Bildungssystem, intensiven Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten und einem engen Miteinander von Konzernen, Start-ups und Hochschulen. Die kostspieligen Massnahmen zur Stützung des nationalen Handels und der Produktion sowie zur sozialen Sicherung werden über lange Zeit hinweg die europäischen Nachbarn dazu zwingen, ihre Investitionen in Forschung und Entwicklung einzuschränken. Dies ist eine wertvolle Gelegenheit für die Schweiz, ihren Vorsprung in Schlüsselbereichen durch gezielte Förderung mit den bestehenden oder auch neuen Instrumenten weiter auszubauen. Eine herausragende Position muss hierbei der Bildungsbereich einnehmen. Hier bedarf es sowohl inhaltlicher als auch struktureller Anpassungen, um der Schweiz langfristig einen Vorsprung zu verschaffen.

Vorreiterrolle im Bereich Nachhaltigkeit übernehmen Die aktuelle Pandemie hat neben ihren tragischen Auswirkungen auch unerwartete positive Effekte für unsere Umwelt. Im Nachgang zur Krise wird die Klimadiskussion grundsätzlich ihren Weg zurück auf die politische Traktandenliste finden. Es ist jedoch zu befürchten, dass das Pendel in einigen Volkswirtschaften in eine andere Richtung schwingen wird und Staaten ihre Umweltschutzregulierungen zur kurzfristigen Ankurbelung der Wirtschaft lockern werden. Die Schweiz kann sich in diesem Umfeld – unterstützt durch die forcierte Digitalisierung und ihre innovativen Universitäten und Unternehmen – als Vorreiterin in der nachhaltigen Transformation der Wirtschaft und innovativer Arbeitsmodelle positionieren und so an Attraktivität als hochwertiger Arbeits-, Lebens- und Wirtschafts sowie Tourismusstandort gewinnen.

Resilienz der Infrastruktur und über «Digitale Souveränität» sprechen stärken

Signifikante Ausfälle in der Infrastruktur in der Schweiz sind ausgeblieben und die Massnahmen haben sich als wirksam erwiesen, obwohl Cyberkriminelle zahlreiche Angriffe in der Krise ausgeführt haben. Insbesondere die rasche Verlagerung der Arbeitsplätze aus den Büros, wo sie in der Regel durch zentrale IT-Stellen gesichert werden, ins Home Office hat es Angreifern erleichtert, an sensitive Daten zu gelangen – diese Verschiebung wird auch nach der Krise nicht vollständig zurückgehen. Die nationalen Cyber-Security- Anstrengungen müssen daher gestärkt, um auf breiter Front gegen diese Gefährdung vorzugehen. Gleichermassen sollte ein Diskurs von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik über eine für die Schweiz sinnvolle Interpretation der «Digitalen Souveränität» lanciert, da sich in der Krise – wenn auch ohne Schwierigkeiten – die Abhängigkeit vom Ausland offenbart wurden.

Szenarien für nächste Krisen entwickeln

Nach der Krise ist bekanntlich vor der Krise. Also gilt es, die aktuellen Planszenarien unermüdlich weiterzuentwickeln. Diese sollten vom Krisenmanagement über die drei Staatsebenen und die Versorgung bis zu Schutz und Gegenmassnahmen sämtliche Vorkehrungen umfassen. Nur wenn die öffentliche Hand Gesundheits- und Sicherheitstrends frühzeitig erkennt, kann sie gemeinsam mit den involvierten Akteuren rechtzeitig und schlagkräftig reagieren. Eine je nach Handlungsfeld angemessene Transparenz gegenüber der Bevölkerung und die Einbindung der verschiedenen Akteure sind für diese Planszenarien erfolgskritisch, zumal es demokratischen Prinzipien gerecht zu werden und Vertrauen zu stärken gilt.

Fazit

Wie die meisten Regierungen rund um den Globus musste auch der Schweizer Bundesrat der Ausbreitung von Covid-19 mit drastischen Massnahmen begegnen: Bewegungsfreiheit einschränken, Selbstbestimmung reduzieren, gewisse Wirtschaftszweige lahmlegen. Diese Vorkehrungen zeigen die gewünschte Wirkung. So wird die aktuelle Debatte dadurch geprägt, wie man systematisch und kontrolliert zur Normalität zurückkehrt. Mit unserem Thesenpapier «Die Krise nutzen und das Erfolgsmodell Schweiz fit für die Zukunft machen» möchten wir einen neuen Impuls setzen, und den Diskurs weg von den akuten Exit-Massnahmen und hin zu den langfristigen Chancen für die Schweiz lenken. 

 

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Gustav Baldinger

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