Navigieren durch neue Standards

Die Schweiz, das Vereinigte Königreich und die entstehende globale Landschaft der Nachhaltigkeits- berichterstattung

Jungle
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  • 12/02/24

Die Europäischen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESRS), die im Rahmen der EU-Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD) geschaffen wurden, werden wahrscheinlich der Massstab für die internationale Nachhaltigkeitsberichterstattung werden. Regulierungsbehörden in der Schweiz und im Vereinigten Königreich müssen auf dem schmalen Grat zwischen Angleichung an die CSRD/ESRS und Unabhängigkeit wandern, da Berichterstattungspraktiken die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen über Grenzen hinweg beeinflussen.

Dr. Philipp Thaler

Dr. Philipp Thaler

Senior Manager, Sustainability & Climate Change, PwC Switzerland

Im sich entwickelnden Bereich der Nachhaltigkeitsberichterstattung befindet sich die Schweiz in einer ähnlichen Position wie das Vereinigte Königreich, insbesondere aus der Sicht der EU, die beide Länder als "Drittstaaten" einstuft. Schweizer Unternehmen sind, ähnlich wie ihre britischen Pendants, in erheblichem Masse von den EU-Vorschriften beeinflusst, sowohl direkt aufgrund ihrer Tätigkeiten auf EU-Territorium als auch indirekt aufgrund grenzüberschreitender Lieferketten und Markterwartungen. Allerdings gibt es in der Schweiz und im Vereinigten Königreich eine gewisse Abneigung gegen die Übernahme oder Harmonisierung von EU-Vorschriften. Während die Schweiz ihre nationalen Vorschriften an den Vorgänger der CSRD, die Richtlinie über die nichtfinanzielle Berichterstattung (NFRD), anpasst (eine weitere Angleichung an die CSRD ist erst zu einem späteren Zeitpunkt geplant), drückt sich der durch den Brexit bedingte Wunsch des Vereinigten Königreichs nach Unabhängigkeit in der Angleichung an das International Sustainability Standards Board (ISSB) aus.

Inmitten dieser Szenarien erschafft die CSRD eine neue Realität, da die ESRS aus mehreren Gründen zum neuen globalen Superstandard werden dürften.

50'000

Unternehmen werden in den nächsten zwei Jahren damit beginnen, nach dem neuen und sehr detaillierten ESRS-Mandat zu berichten

In der Vergangenheit bezogen sich die meisten gesetzlichen Vorschriften zur Nachhaltigkeitsberichterstattung nicht auf einen spezifischen Standard. Stattdessen wurden bestehende Standards wie jene der Global Reporting Initiative (GRI) und des Sustainability Accounting Standards Board (SASB) in der Regel von gemeinnützigen Organisationen entwickelt und von den Unternehmen freiwillig übernommen. Der CSRD/ESRS-Rahmen ist insofern einzigartig, als er eine gesetzliche Richtlinie (die CSRD) mit einem eigenen detaillierten Standard (den ESRS) kombiniert und dabei den Schwerpunkt auf Transparenz und Vergleichbarkeit legt. Dabei ist dieser Ansatz gleichwohl umfassender als frühere Initiativen. Mehr als 50’000 Unternehmen werden in den nächsten zwei Jahren damit beginnen, nach dem neuen und sehr detaillierten ESRS-Mandat zu berichten.

In anderen grossen Volkswirtschaften der Welt, vor allem in den USA und China, gibt es (noch) keine vergleichbar weitreichenden Initiativen zur Festlegung von Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung. So schlägt die US-Börsenaufsichtsbehörde Securities Exchange Commission (SEC) lediglich standardisierte klimabezogene Angaben vor und geht damit den Weg eines im Vergleich zur EU weniger umfassenden Berichtsrahmens. Bemerkenswerten internationalen Bottom-up-Bemühungen wie denen des ISSB fehlt es an breiter regulatorischer Unterstützung, und sie sind nicht zu umfassenden ESG-Standards herangereift (während die ESRS zwei allgemeine und zehn thematische Standards umfassen und durch branchenspezifische Standards erweitert werden sollen, besteht der ISSB derzeit nur aus einem allgemeinen und einem thematischen/klimatischen Standard). Die ESRS haben auch eine beträchtliche extraterritoriale Reichweite, da sie von Drittstaatenkonzernen, die in erheblichem Umfang in der EU tätig sind (konsolidierter Umsatz > 150 Mio. Euro und mindestens eine grosse EU-Tochtergesellschaft), verlangen, ab 2028 einen ESRS-Bericht auf globaler Ebene zu erstellen.

Die ESRS konkurrieren weder mit bestehenden Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung noch erfinden sie das Rad der Berichterstattung neu. Stattdessen integrieren die ESRS bestehende Standards und Rahmenwerke und harmonisieren damit die derzeitige Berichtslandschaft. Auf diese Weise können Unternehmen einen einheitlichen Ansatz für die Nachhaltigkeitsberichterstattung verfolgen, der den verschiedenen Interessengruppen und Ihren Ansprüchen gerecht wird.

Abgesehen von regulatorischen Vorgaben werden viele Organisationen innerhalb und ausserhalb der EU aufgrund des Drucks von Lieferketten, Investoren und Interessengruppen freiwillig die ESRS einführen, selbst wenn sie nicht in den regulatorischen Anwendungsbereich der CSRD fallen.

Angleichen oder nicht angleichen, das ist hier die Frage

Die Schweizer Regierung hat den Einfluss dieser Entwicklungen erkannt und ihre Absicht bekundet, Nachhaltigkeitsberichtspflichten an die internationale Praxis anzugleichen. Das Vereinigte Königreich steht vor einer ähnlichen Entscheidung, um Nachteile durch doppelte Berichterstattung und potenzielle Wettbewerbsnachteile für seine Unternehmen zu vermeiden. Auch der britische Financial Reporting Council (FRC) setzt sich für eine internationale Angleichung und Interoperabilität ein.

Der derzeitige ISSB-Status könnte jedoch erhebliche Auswirkungen auf Unternehmen mit grenzüberschreitender Geschäftstätigkeit haben. Er muss noch fertiggestellt werden, da er derzeit nur aus einem allgemeinen und einem Klimastandard besteht und zentrale Offenlegungen in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung auslässt (die Entwicklung entsprechender Standards kann Jahre dauern). Wenn das Vereinigte Königreich, möglicherweise neben sehr wenigen anderen Ländern wie Singapur, Japan und Australien, die ISSB-Standards übernimmt, könnte dies für seine Unternehmen eine Herausforderung in Bezug auf die Wettbewerbsfähigkeit im Bereich der Nachhaltigkeit (-sberichterstattung) darstellen, insbesondere aufgrund der Nähe zum EU-Markt und Verflechtungen mit diesem. Während die ESRS die ISSB-Standards umfassen (was die Interoperabilität untermauert), gilt dies umgekehrt nicht. Die ISSB-Standards schliessen die ESRS nicht ein, und es ist unwahrscheinlich, dass sich diese Diskrepanz in naher oder mittlerer Zukunft ändert.

Die Befolgung des ESRS ist ein sicherer Weg

Die Überschneidung der schweizerischen und britischen Regulierungswege mit den sich entwickelnden EU-Vorschriften und -Standards zeigt auf eine entscheidende Phase in der internationalen Landschaft der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Die Art und Weise, wie Länder, die nicht direkt unter das ESRS-Mandat fallen, sich in diesem Umfeld bewegen, wird erhebliche Auswirkungen auf ihre wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und ihre Fähigkeit zur Harmonisierung mit globalen Regulierungsstandards haben. Während die Schweizer Vorschriften entweder die EU-Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung übernehmen oder an diese angeglichen werden sollen, wie der Bundesrat angekündigt hat, ist ein ähnlicher Ansatz für Grossbritannien (noch) nicht geplant. Wechselnde politische Mehrheiten im Vereinigten Königreich könnten jedoch dazu führen, dass sich das Land wieder stärker an die EU-Vorschriften annähert. 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass global tätige Unternehmen mit Sitz im Vereinigten Königreich oder mit einem Unternehmen in UK die Berichterstattung auf Konzernebene in Übereinstimmung mit dem ISSB sorgfältig prüfen sollten. Ein umsichtiger Ansatz wäre es, auch die ESRS-Berichterstattung einzubeziehen, um eine umfassendere Einhaltung und Relevanz in einem globalen Kontext zu gewährleisten. Dieser duale Ansatz könnte die lokalen Anforderungen erfüllen und gleichzeitig eine umfassendere Strategie der Nachhaltigkeitsberichterstattung verfolgen, die sich in die Wettbewerbslandschaft einer zunehmend vernetzten und globalisierten Wirtschaft einfügt. Dagegen sind Schweizer Unternehmen gut auf eine zukünftige Nachhaltigkeitsberichterstattung vorbereitet, wenn sie nicht-finanzielle Informationen nach den ESRS offenlegen müssen. Schliesslich werden sie zu den ersten Anwendern des Standards gehören, der wahrscheinlich zur globalen best-practice werden wird. 

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Dr. Philipp Thaler

Senior Manager, Sustainability & Climate Change, Zurich, PwC Switzerland

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Dr. Astrid Offenhammer

Director, Sustainability & Strategic Regulatory, PwC Switzerland

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