Schweizer Regeln bezüglich Nachhaltigkeitsberichterstattung

Ein Anreiz, einen Schritt weiter zu gehen und über die Schweizer Grenzen hinauszusehen

Craig Stevenson
Partner, Sustainability & Climate Change, PwC Switzerland

Dr. Philipp Thaler
Senior Manager, Sustainability & Climate Change, PwC Switzerland

Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 23. November 2022 die Vollzugsverordnung zur Klimaberichterstattung verabschiedet und auf den 1. Januar 2024 in Kraft gesetzt. Die neuen Vorschriften stellen einige Berichtspflichten klar, lassen aber viele Einzelheiten offen. Dies sollte nicht als Aufforderung zum Abwarten missverstanden werden, denn es gibt konkrete Hinweise, in welche Richtung sich die Schweizer ESG-Berichterstattungs-Landschaft entwickeln dürfte – mit Auswirkungen auch für Unternehmen, für welche die Verordnung nicht gilt. 

Die Verordnung zur Klimaberichterstattung beruht auf dem indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative für verantwortungsvolle Unternehmen. Sie bietet grossen Schweizer Aktiengesellschaften, Banken und Versicherungen Orientierung und Klarheit über die erforderlichen Angaben in ihrer Klimaberichterstattung. Damit soll die Transparenz erhöht und die Berichterstattung über nichtfinanzielle Belange der Unternehmen vergleichbarer werden.

Doppelte Wesentlichkeit in der Klimaberichterstattung

Zu beachten ist, dass die Verordnung nicht isoliert verfasst wurde – wichtige Bestimmungen und Stossrichtungen folgen internationalen Trends in der nichtfinanziellen Berichterstattung. Im Wesentlichen werden zwei Perspektiven eingenommen, um den Stakeholdern ein umfassenderes Bild zu vermitteln. Einerseits sollte der veröffentlichte Bericht das finanzielle Risiko offenlegen, dem ein Unternehmen aufgrund des Klimawandels ausgesetzt ist. Andererseits sollen die Auswirkungen der Geschäftstätigkeit eines Unternehmens auf das Klima aufgezeigt werden. Dieses sogenannte doppelte Wesentlichkeitskonzept wurde erstmals im Jahr 2019 von der EU eingeführt und soll zur Best Practice werden, da es die Ansätze der wichtigsten bestehenden und künftigen ESG-Berichtsstandards kombiniert.

Die neuen Regeln setzen die Empfehlungen der Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD) um, die sich weltweit branchenübergreifend in der Klimaberichterstattung durchgesetzt haben. Diese Tatsache deutet darauf hin, dass der Bundesrat die inländischen nichtfinanziellen Berichterstattungspflichten mit internationalen Trends zu verknüpfen versucht. Gleichzeitig ist die Verordnung mit einem wichtigen Vorbehalt behaftet, da sie keinen Standard für die Offenlegung nichtfinanzieller Informationen vorschreibt. Was als Wahlfreiheit für die Schweizer Unternehmen im Geltungsbereich der Verordnung dargestellt wird, könnte sich letztlich als Ungewissheit herausstellen. In Ermangelung klarer Anweisungen werden sich viele Unternehmen an Entwicklungen im Ausland orientieren, wo die Massnahmen und Vorschriften viel strenger sind. Das ist eine notwendige Entscheidung nicht nur für Schweizer Unternehmen, die von ausländischen Vorschriften betroffen sind, sondern auch eine strategische Alternative für alle anderen, die hierdurch einen Wettbewerbsvorteil erzielen wollen. 

Einen Schritt voraus

Viele Schweizer Unternehmen, die in bedeutendem Mass in Nachbarländern tätig sind, müssen die neuen europäischen Regeln für die Berichterstattung einhalten. Die schärferen Vorschriften werden sich wohl auf das gesamte wirtschaftliche Umfeld auswirken. Sie dürften auch Schweizer Unternehmen ohne Tochtergesellschaften oder Niederlassungen im Ausland treffen, denn Investoren, Konsumenten und Nichtregierungsorganisationen fordern zunehmend detaillierte und vergleichbare ESG-Informationen. Selbst KMU und andere Unternehmungen ausserhalb des Anwendungsbereichs sollten daher die Veröffentlichung der Nachhaltigkeitsberichte in Betracht ziehen, da grosse Unternehmen solche Informationen (z.B. über Scope-3-Emissionen oder unter die EU-Taxonomie fallende Tätigkeiten) zunehmend von ihren Lieferanten verlangen werden. Wer sich nur an die laxeren Schweizer Vorschriften hält, läuft Gefahr, einen allfälligen Wettbewerbsvorteil zu verlieren. Die proaktive Offenlegung nichtfinanzieller Informationen im Einklang mit internationalen Best Practices kann hingegen als Chance genutzt werden, um sich von der Masse abzuheben. Das stärkt letztlich auch die eigenen internen Prozesse und Anpassungsfähigkeit.

EU-Verordnungen zeigen die Richtung

Ein weiterer Grund, sich im Ausland umzusehen, ist die Tendenz der Schweizer Nachhaltigkeits-Regelungen, sich an den Entwicklungen in der EU auszurichten. Mit dem Gegenvorschlag zur Volksinitiative für verantwortungsvolle Unternehmen, der am 1. Januar 2022 in Kraft trat, strebt die Schweiz eine regulatorische Angleichung an die Regeln der Leitlinien für die Berichterstattung über nichtfinanzielle Informationen (NFRD) der EU an. Ab 2024 werden diese Leitlinien jedoch durch die kürzlich verabschiedete EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD) ersetzt. Zusammen mit den neu entwickelten EU-Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESRS) werden Inhalt, Granularität und Format der ESG-Berichterstattung weit über das in der Schweiz vorgeschriebene Mass hinausgehen. Dazu gehören qualitative und quantitative Informationen über die Vergangenheit sowie kurz-, mittel- und langfristige wesentliche Themen der gesamten Wertschöpfungskette und zeitlich gebundene Ziele.

Auch der im Februar 2022 veröffentlichte EU-Richtlinienentwurf zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) sieht anspruchsvollere Sorgfaltspflichten vor als die neuen Schweizer Pflichten. Die CSDDD enthält einen umfassenderen Ansatz, der über «Konfliktmineralien» und Kinderarbeit hinausgeht. Sie erstreckt sich auf die Bereiche Umwelt und Menschenrechte, erfordert umfangreichere Prüfungen und erweitert die mögliche Haftung. Schweizer Unternehmen, die in erheblichem Umfang in der EU tätig sind, müssen sich daher Gedanken über die Einhaltung der weiter reichenden EU-Vorschriften machen. Viele andere dürften ebenfalls den Druck der Öffentlichkeit und des Marktes aufgrund der strengeren ausländischen Vorschriften spüren.

Kontinuierliche Ausrichtung auf die EU

Am 2. Dezember 2022 bekräftigte der Bundesrat seine Absicht, eine international abgestimmte Regelung der unternehmerischen Nachhaltigkeit anzustreben. Gestützt auf einen Bericht der Verwaltung, der die Unterschiede zwischen dem Schweizer Recht und den EU-Regulierungen aufzeigt und einschätzt, welche Auswirkungen für die Schweizer Wirtschaft zu erwarten wären, legte der Bundesrat das weitere Vorgehen fest. Strengere Regeln für die Nachhaltigkeitsberichterstattung in der EU beeinträchtigen mutmasslich die exportorientierte Schweizer Wirtschaft. Der Bundesrat geht darum von einem Anpassungsbedarf der ab dem Haushaltsjahr 2023 geltenden Schweizer Regulierungen aus und entschied, bis spätestens im Juli 2024 eine Vernehmlassungsvorlage auszuarbeiten. Was die Sorgfaltspflicht in der Lieferkette betrifft, dürften Schweizer Unternehmen ebenfalls von den EU-Vorschriften betroffen sein. Da die endgültige Fassung der CSDDD jedoch noch nicht absehbar ist, will der Bundesrat erst Ende 2023 die Auswirkungen der künftigen EU-Richtlinie auf Schweizer Unternehmen analysieren. Diese Ankündigungen deuten auf eine weitere Angleichung der Rechtsvorschriften an den EU-Rahmen hin. Sie stehen auch im Einklang mit den Bestimmungen zur Überprüfung der bestehenden Schweizer Nachhaltigkeits-Regulierung im Hinblick auf internationale Entwicklungen. Die Verordnung über die Berichterstattung über Klimabelange soll drei Jahre nach ihrem Inkrafttreten geändert werden.

Wichtige Erkenntnisse für Schweizer Unternehmen

Bei der Ausarbeitung einer Strategie für die Nachhaltigkeitsberichterstattung ist es ratsam, die regulatorischen Entwicklungen in der Schweiz und im Ausland genau unter die Lupe zu nehmen. Viele Nachhaltigkeits-Vorschriften der EU werden die Schweizer Regeln beeinflussen, während sich die internationale Regulierungslandschaft weiterentwickelt.

Die Auswirkungen der EU-Vorschriften auf die nichtfinanzielle Berichterstattung von Schweizer Unternehmen umfassen:

  • Weiter gefasster Anwendungsbereich: In der EU gilt die Regel für Unternehmen mit 250 statt mit 500 Beschäftigten. Auch nicht börsennotierte Unternehmen sind zur nichtfinanziellen Berichterstattung verpflichtet.
  • Genauer regulierter Ansatz der Berichterstattung: Die EU schreibt unter anderem eine doppelte Wesentlichkeitsbewertung und eine externe Prüfung (eingeschränkte Prüfungssicherheit/«limited assurance») vor.
  • Strengeres Berichtsformat: Die ESRS bilden ein umfassendes Regelwerk für die Nachhaltigkeitsberichterstattung mit mehr als 100 Offenlegungspflichten und über 1000 Datenpunkten.
  • Umfassendere Sorgfaltspflicht: Der Ansatz der EU erstreckt sich auch auf die Bereiche Umwelt und Menschenrechte.

Für viele Unternehmen bedeutet dies, eine ESG-Strategie zu entwickeln und umzusetzen, langfristige Risiken zu erkennen, ihnen entgegenzuwirken und Chancen zu nutzen. Mit den steigenden Anforderungen an die Berichterstattungssysteme und -prozesse wächst auch der Bedarf an qualifizierten Mitarbeitenden für die Erfassung und Auswertung der erforderlichen Daten.

Schweizer Nachhaltigkeits-Vorschriften

Im Dezember 2021 setzte der Bundesrat die Gesetzesänderungen des indirekten Gegenvorschlags zur Volksinitiative für verantwortungsvolle Unternehmen in Kraft. Ab dem Geschäftsjahr 2023 sind Publikumsgesellschaften, Banken und Versicherungen mit 500 oder mehr Mitarbeitenden und einer Bilanzsumme von mindestens 20 Millionen Franken oder einem Umsatz von mehr als 40 Millionen Franken verpflichtet, Berichte über nichtfinanzielle Belange zu veröffentlichen. Ab 2024 müssen die Unternehmen im Anwendungsbereich auch ihre Klimaauswirkungen offenlegen, wie in der Verordnung zur Klimaberichterstattung festgelegt.

Darüber hinaus führt der indirekte Gegenvorschlag Sorgfaltspflichten und eine höhere Transparenz bezüglich Mineralien und Metallen aus Konfliktgebieten und Kinderarbeit ein. Die Anforderungen und Ausnahmen, die ab dem Haushaltsjahr 2023 gelten, sind in einer Verordnung festgelegt. Unter anderem müssen die betroffenen Unternehmen eine Lieferkettenpolitik und ein Managementsystem einführen, das die Rückverfolgbarkeit gewährleistet. Ausserdem erfordert die Sorgfaltspflicht bei Mineralien und Metallen eine externe Prüfung. 

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