Die Zukunft des Verkehrs in der Schweiz hat ihren Preis

Gabriele D'Achille Director, Consulting and Head of Transportation and Logistics, PwC Switzerland 19 Jul 2022

Das Verkehrsaufkommen in der Schweiz steigt und in der Infrastrukturfinanzierung klaffen zunehmend Lücken auf. Darum stehen Road und Mobility Pricing erneut auf der politischen Agenda. So hat der Bundesrat ein Bundesgesetz über Pilotprojekte für Mobility Pricing in die Vernehmlassung geschickt. Was es damit auf sich hat, erläutert unsere Publikation «Road Pricing: Ideal für die Infrastrukturfinanzierung und Verkehrslenkung in der Schweiz?».

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Road Pricing und Mobility Pricing sind ein politisches Dauerthema. Als Road Pricing werden sämtliche Instrumente bezeichnet, die die Nutzung der öffentlichen Strasseninfrastruktur bepreisen. Mobility Pricing erstreckt sich auf den Individualverkehr und die öffentlichen Verkehrsmittel (ÖV).

Die Nachfrage nach Mobilität wächst seit Jahren und wird das auch in Zukunft tun. Das Bundesamt für Raumentwicklung geht in seinem Bericht «Verkehrsperspektiven 2050» von einer Verkehrszunahme von 11% aus. Das Resultat sind Überlastung und Engpässe im Schweizer Verkehrsnetz – sprich Stau, Lärm und entsprechende Kosten. Letztere liegen jährlich bei knapp zwei Milliarden Franken. Dazu gehören Umwelt-, Klima- und Energiekosten sowie Kosten durch ungenutzte Zeit, weil man im Stau steht oder auf den Zug wartet. Um diese Ausgaben zu reduzieren, werden Kantone und Gemeinden nicht nur den Strassenbau vorantreiben, sondern auch ergänzende Massnahmen ergreifen müssen. Hier kommt Road Pricing ins Spiel.

Die zweite Hälfte der Wahrheit

Wer von Kosten spricht, muss auch über Finanzierung sprechen. Kantone und Gemeinden finanzieren ihre Strasseninfrastruktur vorwiegend über zweckgebundene Einnahmen. Dazu gehören die leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe LSVA (16%), die Mineralölsteuer (11%) und die kantonale Motorfahrzeugsteuer (72%). Nur ein kleiner Teil entfällt auf Steuergelder. Die Strassenrechnung zeigt seit 2010 einen konstanten Kostendeckungsgrad von 105% bis 108%. Man könnte also meinen, die Finanzierung der Strasseninfrastruktur in der Schweiz sei gesichert.

Das ist leider nur die halbe Wahrheit. Die Strassenrechnung lässt weder interkantonale Vergleiche noch Schlüsse über die Zukunft zu. In manchen Kantonen wird die Finanzierungslücke kontinuierlich grösser (z. B. St. Gallen: +1,9%/Jahr, Glarus: +1,6%/Jahr). In anderen wiederum schliesst sie sich in grossen Schritten (z. B. Obwalden: –18,8%/Jahr, Nidwalden: –14,2%/Jahr). Tatsache bleibt: Steigt die Nachfrage nach Mobilität in den kommenden Jahren unvermindert an, so werden die Kosten kaum sinken – und die Infrastrukturfinanzierung wird zur echten Herausforderung.

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Gabriele D'Achille,Director, Consulting and Head of Transportation and Logistics, PwC Switzerland

Ein Instrument, zwei Zielrichtungen

Road Pricing gilt als interessantes verkehrspolitisches Instrument, das für zwei Ziele eingesetzt werden kann: Verkehrslenkung (Stau, Umweltschäden, Lärm vermeiden) und Infrastrukturfinanzierung (Bau und Unterhalt von Strassen, Finanzierung des ÖVs). Die Ausgestaltung der Massnahmen ist vielfältig; zum Beispiel auf eine Innenstadtzone begrenzt oder auf das nationale Strassennetz ausgelegt, pauschal oder dynamisch, für Autofahrende oder für den gesamten Individualverkehr. Wie auch immer Road Pricing konzipiert wird: Damit die Einführung an der Urne eine Chance hat, muss die Zahl der Profiteure höher sein als jene der Geschädigten respektive Zahlenden. 

Dass dies möglich ist, zeigen diverse Beispiele aus dem Ausland. In Oslo wird das Infrastrukturbudget zu 40% aus Road Pricing gedeckt. Italien nimmt damit jährlich 3,7 Milliarden Euro ein. In Stockholm ist das Verkehrsaufkommen um 25% und sind die Stauzeiten um 30% bis 50% gesunken. In London fahren heute 36% weniger Autos in der Congestion Zone, wodurch 6,5% weniger CO2 in die Luft geht. Und in Singapur hat die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel um 20% zugenommen.

Neue Chance für die Schweiz

Die erwähnten Beispiele machen deutlich: Mit Road Pricing lässt sich den Herausforderungen des Verkehrs gezielt begegnen – auch in der Schweiz. Die Bundesverfassung hält die Nutzung öffentlicher Strassen bis anhin gebührenfrei (Art. 82 Abs. 3). Nun hat der Bundesrat ein zeitlich limitiertes Bundesgesetz für Pilotprojekte zu Mobility Pricing verabschiedet. Mit dieser Vorlage rückt er die Besteuerung von Mobilität in der Schweiz ein gutes Stück näher. Damit Road- und Mobility-Pricing-Massnahmen tatsächlich greifen, ist Folgendes sicherzustellen:

  1. Das System muss einfach und nachvollziehbar sein.
  2. Es muss klar sein, ob man auf Verkehrslenkung oder Infrastrukturfinanzierung abzielt.
  3. Die Gewinnerinnen und Gewinner müssen überwiegen. Das bedingt eine Zweckbindung der Einnahmen.
  4. Verkehrsteilnehmende brauchen eine nutzerfreundliche Infrastruktur mit alternativen Transportmöglichkeiten – also ein dichtes ÖV-Netz.
  5. Damit Road Pricing als Finanzierungsquelle dient, ist ein effizientes Verkehrssystem mit geringen Betriebskosten nötig.

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