So steht es um die Effizienz von Schweizer Kantonen

Dr. Ramon Christen Senior Manager, Government & Public Sector, PwC Switzerland 09/06/23

Die Kantone und Gemeinden haben in den Bereichen öffentliche Ordnung und Sicherheit, Bildung, Kultur, Soziales und Strassen ein Effizienzsteigerungspotenzial von total rund 12,9 Mrd. CHF. Das zeigt die jüngste Ausgabe unseres Effizienz-Monitorings mit Zahlen des Jahrs 2020. Die Untersuchung analysiert die staatlichen Leistungen separat und mehrdimensional womit Unterschiede in den Politikbereichen und zwischen den Kantonen transparent werden.

Effizienz-Monitoring 2023 herunterladen

Effizienz ist ein abstrakter Begriff, die Debatte über deren Ausprägung bei Schweizer Kantonen und Gemeinden hingegen sehr konkret. Um zu beurteilen, wie gut diese tatsächlich arbeiten, braucht es vergleichbare und verlässliche Daten sowie auf etablierten Methoden basierende Analysen. Deshalb haben wir gemeinsam mit dem Institut für öffentliche Verwaltung (IDHEAP) der Universität Lausanne das Effizienz-Monitoring ins Leben gerufen. Darin stellen wir die kantonalen und kommunalen Ausgaben (Input) der Menge und Qualität von Leistungen (Output) in fünf Bereichen gegenüber: öffentliche Ordnung und Sicherheit, Bildung, Kultur, Soziales und Strassen. Damit gehen wir gegenüber bestehenden kantonalen Vergleichen einen Schritt weiter. Anstatt simple Ausgaben-pro-Kopf Vergleiche anzustellen, nähern wir uns den einzelnen staatlichen Leistungen mittels konkreten Output-Grössen wie der Anzahl verschiedener Bildungsabschlüsse, den Strassenkilometern oder den Anzahl Museen. Auch mit dieser Annäherung vermessen wir die staatlichen Leistungen nur rudimentär, was auf die fehlende Datengrundlage zurückzuführen ist. So existiert beispielsweise keine kantonal harmonisierte und über mehrere Jahre bestehende Erfassung der Qualität von Schweizer Kantonsstrassen. Das Monitoring soll daher auch ein Ansporn sein, die kantonalen Leistungen umfassender zu messen. Nur so lassen sich die Politikbereiche zahlen- respektive faktenbasiert steuern. Auch sind die Daten notwendig, um spezifischer zu beurteilen, ob die finanzielle Mittel effizient eingesetzt werden. Vor dem Hintergrund, dass sich die finanzielle Situation vieler Kantone in den kommenden Jahren tendenziell verschärfen dürfte, macht die jüngste und dritte Ausgabe unseres Effizienz-Monitorings eines überdeutlich: Es ist Zeit, etwas für die Effizienz zu tun.

Die Effizienz im Bildungswesen folgt keinem nachhaltigen Trend. Vielmehr pendeln sich die Kantone langfristig bei zirka 80 % ein.

Prof. Dr. Nils Soguel, Direktor, IDHEAP
The New Equation

Effizienz-Monitoring Schweizer Kantone

Welche Kantone ihre Ressourcen gezielter einsetzen und was andere konkret tun können, lesen Sie in unserer neuen Studie für den Öffentlichen Sektor.

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Sicherheit: Grosse Effizienzschwankungen über die Jahre hinweg

Den Bereich öffentliche Ordnung und Sicherheit haben wir im aktuellen Effizienz-Monitoring zum ersten Mal erfasst. Hier arbeiten die Kantone im Jahr 2020 durchschnittlich zu 73 % effizient. Die Werte streuen von 48 % bis 82 % stark und schlagen über die Jahre ebenfalls kräftig aus. Wir vermuten dahinter ein dem sogenannten Schweinezyklus ähnliches Phänomen: Der variierende Output wie polizeilich registrierte Straftaten, Verurteilungen und Personen in Untersuchungshaft führt dazu, dass die kantonalen Parlamente die Sicherheitsbudgets entsprechend adaptieren. Dieser Input hinkt den Leistungen jedoch meist hinterher, weshalb die Effizienz variiert. 

Aus der langfristigen Perspektive von 2011 bis 2020 belegen lateinische Grenzkantone wie Tessin, Waadt, Neuenburg und Genf die Spitzenplätze. Gesamthaft geben die Kantone im Jahr 2020 nur gerade 10,3 Mrd. CHF oder 7 % für öffentliche Ordnung und Sicherheit aus. Das Optimierungspotenzial beläuft sich auf 2,3 Mrd. CHF. Selbst wenn die Kantone ihre Effizienz um einen Viertel verbessern würden, fiele das nicht wesentlich ins Gewicht. 

Bildung: Mit kleinen Verbesserungen viel bewirken 

Die durchschnittliche Effizienz im Bildungswesen liegt 2020 bei 81 % mit nur geringen Schwankungen gegenüber dem Vorjahr. Dies, obwohl die Schulen ihren operativen Betrieb pandemiebedingt neu ausrichten und zu innovativen Lösungen greifen mussten. Rahmenbedingungen wie zum Beispiel die Maturitätsprüfung gingen sie sehr unterschiedlich an. Es ist denkbar, dass die Pandemie erst in den kommenden Jahren Spuren in der Effizienz der Kantone hinterlässt, sprich dass sich infolge der Pandemie die Schere zwischen den Kantonen auftut. 

Der Kanton Graubünden hat seine führende Position von 2019 im Bildungswesen verteidigt. Die drei letztplatzierten Kantone haben im Vorjahresvergleich weiter an Effizienz eingebüsst. Im Mittelfeld zeigen sich Verschiebungen nach oben und unten, allerdings stärker als in den Jahren 2018 und 2019. Diese Tatsache lässt sich durch die Pandemie begründen. 

Eine ausgeprägte Fragmentierung des Gemeindegefüges scheint die Effizienz zu fördern. Dies ist vor dem Hintergrund interessant, als dass viele Kantone Gemeindefusionen finanziell unterstützen. Gleichzeitig stellen wir fest, dass Armut in der Bevölkerung auf die Effizienzwerte drückt.

Der Bildungsbereich macht 27 % der Gesamtausgaben aus. Das Optimierungspotenzial aller Kantone beträgt 4,6 Mrd. CHF oder 21 % aller Ausgaben. Effizienzsteigerungen sind also gerade hier besonders angebracht. Schon kleine Verbesserungen können finanzielle Ressourcen freimachen, die anderswo mehr als willkommen sind. 

Ganz nach dem Motto «besser geht immer» möchten wir Kantone und Gemeinden dabei unterstützen, ihre finanziellen Mittel noch gezielter einzusetzen und ihr Optimierungspotenzial bei Strukturen und Prozessen auszuschöpfen.

Philipp Roth, Lead Partner Öffentlicher Sektor, PwC Schweiz

Kultur: Effizienz pandemiebedingt eingefroren

Mit Gesamtausgaben von 4 % ist das Kulturwesen der kleinste Analysebereich unseres Effizienz-Monitorings. Im Mittelpunkt stehen Museen und Denkmalpflege; mangels aussagekräftiger Daten werden Bibliotheken, Konzerte, Theater, Film, Kino und Massenmedien nicht ausgewertet. Bei der durchschnittlichen Effizienz von 2020 erreichen die Kantone einen Wert von 71 %. 

Die bestplatzierten Kantone Solothurn, Aargau, Thurgau und St. Gallen liegen mit über 80 % relativ nahe beieinander. Hingegen oszillieren die Werte der ineffizienteren Kantone stark. Die sechs letztrangierten haben im Vorjahresvergleich allesamt an Effizienz eingebüsst. Das könnte Ausdruck davon sein, dass das Kulturwesen 2020 mit den pandemiebedingten Lockdown-Massnahmen stillgelegt wurde. Die Lockerungen dürften in der nächsten Analyse der Daten von 2021 zu sehen sein. Externe Faktoren wie Zentrumsfunktion oder Wohlstand wirken sich kaum auf das Verbesserungspotenzial der Kantone aus. Sie haben wenig Einfluss darauf, wie effizient die Entscheidungstragenden ihre finanziellen Mittel für das Kulturwesen einsetzen.

Die Pandemie scheint die Effizienz im Kulturwesen eingefroren zu haben. Sprünge von 2019 auf 2020 blieben aus, insbesondere bei den weniger effizienten Kantonen.

Dr. Ramon Christen, Manager Öffentlicher Sektor, PwC Schweiz

Soziales: Hohe kurz- und mittelfristige Ausgabenbindung lässt kaum Bewegung zu

Die durchschnittliche Effizienz aller Kantone im Sozialwesen notiert im Jahr 2020 bei 75 % und variiert von 49 % bis 93 %. Auf den fünf ersten Plätzen rangieren die Kantone Tessin, Wallis, Uri, Obwalden und Fribourg. Wir stellen fest, dass die einzelnen Kantone ihre Positionen im Lauf der Jahre kaum verändert haben. Das spricht dafür, dass die Ausgaben für diesen Leistungsbereich kurz- und mittelfristig stark gebunden sind. Gleichzeitig zeigen die grossen Unterschiede zwischen den Kantonen, dass unterschiedliche Ansätze unterschiedlich Effizient sind. Allerdings gehen wir auch davon aus, dass externe Faktoren die Effizienz im Sozialbereich stärker beeinflussen als die Entscheidungstragenden selbst. Zum Beispiel weisen dicht besiedelte Kantone mit einem hohen Anteil an ausländischer Bevölkerung tiefere Effizienzwerte auf.

Das Sozialwesen stellt mit 26,3 Mrd. CHF den zweitgrössten Ausgabenbereich der Kantone und Gemeinden dar. Würden sie ihr Optimierungspotenzial vollständig ausschöpfen, könnten sie ihren Input um 2,9 Mrd. CHF oder 36 % reduzieren.

Urbane Kantone mit zahlreichen Sozialleistungsbezüger:innen weisen eine geringere Effizienz auf.

Prof. Dr. Pirmin Bundi, IDHEAP

Strasse: Gleiches mit Gleichem vergleichen

Im Strassenwesen erreichen die Kantone eine durchschnittliche Effizienz von 69 %. Mit 29 % bis 84 % streut dieser Bereich am stärksten. Kantone wie Luzern, Aargau und Zug haben gegenüber dem Vorjahr nichts an Effizienz eingebüsst. Aufgrund von Effizienzverbesserungen belegt Genf neu Platz zwei. Schlechtplatzierte Kantone sind noch ineffizienter geworden.

Im Jahr 2020 geben Kantone und Gemeinden 10,3 Mrd. CHF oder 7 % ihrer Ausgaben für das Strassenwesen aus. Darin enthalten ist allerdings auch der öffentliche Verkehr, der von unserem Effizienz-Monitoring nicht abgedeckt wird. Mit mehr Effizienz könnten die Kantone ihre Ausgaben um 2,3 Mrd. CHF optimieren, was immerhin dem halben Optimierungspotenzial im Bildungswesen entspricht.

Für diesen Analysebereich sind externe Faktoren wie die Topografie wesentlich. Wir gehen davon aus, dass Effizienz, Steilheit des Geländes und Siedlungshöhe zusammenhängen. Wer sich in diesem Bereich verbessern will, sollte sich an einem vergleichbaren Kanton orientieren. 

Weil Zahlen das letzte Wort haben

Die Resultate unserer Studie sprechen Bände: Die kantonalen und kommunalen Mittel in allen untersuchten Bereichen liessen sich hypothetisch um jährlich 12,9 Mrd. CHF optimieren, dabei darf jedoch nicht ausser Acht gelassen werden, dass externe Faktoren ein vollständiges Ausschöpfen dieses Potenzials verhindern. Damit könnten die Kantone die Hälfte ihrer Bildungsausgaben oder mehr als sämtliche Sozialausgaben decken. An dieser Stelle bietet sich der folgende Vergleich an: 2022 hat die Schweizerischen Nationalbank 6 Mrd. CHF an Bund und Kantone ausgeschüttet, also rund 47 % ihres Effizienzreduktionspotenzials. Für das laufende Jahr entfällt eine solche Finanzspritze. 

Unser Monitoring gibt einen objektiven Einblick in die Effizienz von Kantonen und Gemeinden und liefert darüber hinaus eine verlässliche Datengrundlage für Entscheidungstragende. Solche Informationen sind gerade in finanziell harten Zeiten dringend notwendig. Denn der Ruf nach einem zielsicheren Einsatz von Staatsgeldern ist unüberhörbar.

 

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Philipp Roth

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Dr. Ramon Christen

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