Im Gespräch mit Roger Müller, Zürcher Kantonalbank

Interview mit Roger Müller, Leiter der Geschäftseinheit Risk und Mitglied der Generaldirektion bei der Zürcher Kantonalbank

Im Rahmen der «PwC 2019 Global Risk, Internal Audit and Compliance Survey» haben wir Roger Müller, Leiter der Geschäftseinheit Risk und Mitglied der Generaldirektion bei der Zürcher Kantonalbank interviewt. Im Gespräch mit Yousuf Khan, Partner Financial Services bei PwC, sprach er darüber, wie der digitale Wandel der Zürcher Kantonalbank unter anderem dabei hilft mit gleicher Mitarbeiterzahl mehr Geschäftsvolumen zu erreichen. 
 
Wie digital ist die Zürcher Kantonalbank?

Die Zürcher Kantonalbank befindet sich bereits mitten in der digitalen Transformation. Am weitesten fortgeschritten ist der Prozess der Digitalisierung bei der Anlageberatung. Die regulatorische Komplexität in diesem Bereich hat zugenommen. Entsprechend haben wir mit Hilfe der digitalen Transformation Prozesse vereinfacht und digitalisiert, um noch bessere Qualität zu liefern und effizienter zu arbeiten. Wir sind eine der ersten Banken, welche die Tablet-Beratung umgesetzt hat. In anderen Bereichen sind wir erst am Anfang der Transformation und erkennen die Wichtigkeit des bevorstehenden Wandels.

«Die Zürcher Kantonalbank befindet sich bereits mitten in der digitalen Transformation. Nur dank diesem Wandel können wir mit praktisch gleicher Mitarbeiterzahl ein ständig zunehmendes Geschäftsvolumen bewältigen.»

Wie steht es um die Risikobereitschaft der Zürcher Kantonalbank?

Wir gehen nur Risiken ein, die wir verstehen und wägen diese sorgfältig ab. Gerade beim Cloudcomputing, bei dem die Hoheit über die Daten teilweise abgegeben wird, gibt es kritische Punkte. Das heisst für uns, dass wir die einzelnen Digitalisierungs-Schritte im Detail abklären und uns mit den relevanten Fragen befassen, beispielsweise was es genau bedeutet, wenn die Daten in der Cloud sind. Um Risiken sauber abzuklären und einordnen zu können, braucht es Prozess-Transparenz statt einer «Blackbox». Unsere Reputation steht bei jeder Entscheidung zur Digitalisierung im Zentrum.

Wie beurteilt Risk die Digitalisierungsinitiativen?

Bisher waren alle Wege, die wir im Rahmen der Digitalisierung gegangen sind, zielführend. Wir haben dabei als Erkenntnis mitgenommen, Initiativen über die verschiedenen Phasen hinweg in überblickbare Pakete aufzuteilen.

Bleibt eine Initiative überschaubar, können schnelle Erfolge erzielt werden, was dem Ganzen Aufschwung gibt. Gleichzeitig wird sichergestellt, dass die Lösungen nachhaltig sind. Diese positive Entwicklung begünstigt weitere Initiativen. Im Kreditrisiko Prozess wollen wir deshalb nicht gleich den ganzen Prozess auf einmal digitalisieren. Wir nehmen einzelne Module heraus, lösen spezifische Anforderungen und kommen so ans Ziel.

Auch im Risk haben wir erste digitale Prozesse umgesetzt. Gerade bezüglich Marktrisiken befinden wir uns auf einem sehr hohen Niveau – unter anderem wegen der regulatorischen Anforderungen. Verschiedene Compliance Prozesse setzen Artificial Intelligence (AI) voraus und auch die FINMA zeigt grosses Interesse daran. Dazu haben wir umfassende Initiativen im Kreditrisikobereich gestartet, die Daten mittels AI nutzen.

«Wir brauchen Prozess-Transparenz, um Risiken sauber abzuklären und einzuordnen. Eine Blackbox wollen wir nicht riskieren. Unsere Reputation steht bei jeder Entscheidung zur Digitalisierung im Zentrum.»

Wie stark ist Risk in die Digitalisierungsprozesse involviert?

Wir sind stark involviert. Neue Initiativen entstehen durch Workshops und dem Einbinden der Geschäftsleitung. Danach kommen das Product Management sowie Risk und Compliance ins Spiel, etwas nachgelagert dann Audit. Dabei macht es keinen grossen Unterschied, ob die Initiativen für interne oder externe Prozesse gelten. Wir haben einen regelmässigen Austausch, um Digitalisierungs-Initiativen zu konsolidieren und weiterzubringen. Es existiert aber kein starr festgelegter Prozess, wie oder von wem diese Initiativen angestossen werden müssen. Insbesondere beim Thema AI wollen wir agil bleiben und Ideen nicht mit Prozessen ersticken, stellen aber durch die regelmässige Konsolidierung sicher, dass Initiativen sauber aufgesetzt und durchgeführt werden.

Die Zürcher Kantonalbank hat sich bewusst entschieden, mit einem Innovations-Lab die Möglichkeit zu geben, kreativ zu sein und neue Initiativen anzustossen. Viele spannende Ideen konnten bereits umgesetzt werden. Die alten Strukturen der Bankenwelt erweisen sich dabei manchmal als Hindernis.

Wie wird sich Ihre Rolle als Head of Risk in den nächsten zehn Jahren verändern?

In Zukunft wird wohl mehr IT und digitale Affinität gefragt sein. Aber Bankkenntnisse, Erfahrung und gesunder Menschenverstand werden immer notwendig sein. Wenn wir nur noch an die Auswertung der Daten glauben, ohne diese kritisch zu hinterfragen, ist das der falsche Weg. Eine kritische Grundhaltung ist nötig. Die Digitalisierung darf keine Blackbox sein. Wenn Datenauswertungen mittels AI zwar gut aussehen, aber niemand richtig weiss, was mit den Daten passiert, woher sie kommen, wie sie ausgewertet werden, ist das Risiko schlicht zu hoch.

Die Profile der Mitarbeiter verändern sich ebenfalls. Traditionell erworbene Fähigkeiten allein reichen nicht mehr. Wir setzen auf das Upskilling unserer Mitarbeitenden in spezifischen Bereichen, damit sie ihre Erfahrung auch in einer digitalen Umgebung gewinnbringend einbringen können.

Hat die Zürcher Kantonalbank Upskilling Initiativen für einen Cultural Change umgesetzt?

Wir haben die Ziel- und Leistungsvereinbarungen mit unseren Mitarbeitenden in der klassischen Form abgeschafft und setzen vermehrt auf den laufenden Dialog statt Jahresendgespräche. Was ist der Beitrag der Mitarbeitenden an die Umsetzung der Strategie? So wollen wir die Mitarbeitenden herausfordern und bei Bedarf Weiterbildungsmöglichkeiten aufzeigen und wie die Fähigkeiten Richtung digitales Umfeld entwickelt werden können. Grade bei älteren Mitarbeitenden besteht Potential.

Sind Sie besonders stolz auf eine der umgesetzten Digitalisierungsinitiativen?

Ja, wir konnten zum Beispiel in der Marktrisiko Einschätzung mit digitalen Prozessen das System vereinfachen und damit Kosten sparen. Zudem verfolgen wir im Kreditrisikobereich neue Konzepte zur laufenden Verbesserung der Prozesse. Auch Compliance und IKS-Analytics sind heute strukturierter und werden mit digitalen Lösungen auf einer Plattform vereint. Die Vorteile der Digitalisierung sind hier klar ersichtlich.

Die Datenqualität ist zentral für die Digitalisierung, wie stellen Sie diese sicher?

Die Zürcher Kantonalbank befindet sich in Bezug auf Daten in einer komfortablen Lage. Andere grosse Banken sind in mehreren Ländern tätig und haben Kundendaten aus aller Welt. Die Zürcher Kantonalbank ist fast ausschliesslich in der Schweiz tätig, unterliegt einer Jurisdiktion und ist innerhalb einer Zeitzone aktiv. Diese Faktoren fördern eine hohe Datenqualität.

Der Schulterschluss von Risk und Compliance ist ebenfalls wichtig, um die Datenqualität hochzuhalten. Wir konnten so neue Usecases erstellen und arbeiten viel weniger mit zufälligen Stichproben, sondern gehen strategischer vor.

Wenn Sie einen Wunsch hätten, welche Digitalisierungsinitiative würde morgen stehen?

Dass alle Daten strukturiert in allen Bereichen zur Verfügung stehen und End-to-End durch alle Prozesse gehen. Und dass alles auf einer Plattform zusammenläuft. Wird eine Digitalisierungsinitiative unter Druck gebaut und dann mangels Zeit oder finanziellen Mitteln nicht sauber integriert, ist das Ergebnis eher frustrierend als gewinnbringend. Am Schluss sind verschiedene digitale Prozesse in bestehende Plattformen eingebunden und die Mitarbeitenden finden sich im System nicht mehr zurecht. Dann ist die Digitalisierung kontraproduktiv.

Wir haben viele Ideen und engagierte Mitarbeitende, die gut unterwegs sind. Es frustriert sie, wenn es lange dauert, Änderungen in unseren bestehenden Strukturen anzustossen. Gleichzeitig ist es wichtig, dass neue Lösungen in unsere Architektur passen – auch wenn das bedeutet, dass die Idee angepasst werden muss und etwas an Drive verliert. Wir müssen auch Abstriche machen können, um die Prozesse zusammenzubringen und den langfristigen Erfolg zu sichern.