COVID-19: Stärker aus der Krise

Die Krise nutzen und das Erfolgsmodell Schweiz fit für die Zukunft machen

Mit den Stärken der Schweiz die Zukunft nach Covid-19 gestalten

Die Corona-Pandemie stellt uns alle vor Herausforderungen, wie sie viele von uns kaum je zu bewältigen hatten. Wie fast alle Länder der Welt hat auch die Schweiz einschneidende Massnahmen erlassen, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Die Einschränkungen in Bewegungsfreiheit, Selbstbestimmung und Wirtschaftsfreiheit zeigen zaghaft Wirkung. Die Infektionskurve flacht leicht ab, und die aktuelle Diskussion fokussiert sich hauptsächlich auf die Frage, wie wir geordnet aus dem Krisenmodus aussteigen und zu einer sozialen und wirtschaftlichen Normalität zurückfinden, ohne die fragilen Erfolge bei der Bekämpfung von Covid-19 zu gefährden.

Doch die Situation birgt auch Chancen, gestärkt aus der Krise herauszukommen, mittel- und langfristig neue Lebens- und Arbeitsmodelle zu etablieren, zutage getretene Schwächen zu minimieren und damit besser auf künftige Herausforderungen reagieren zu können.

In der Schweiz bieten sich hier aufgrund des politischen Systems, des ausgeprägten Föderalismus mit seinem Subsidiaritätsprinzip, der liberalen Wirtschaftsordnung, ihrer starken diplomatischen Beziehungen, der Innovationsfähigkeit und nicht zuletzt des Unternehmergeists ihrer Bürgerinnen und Bürger besonders günstige Rahmenbedingungen, die es nun zu nutzen gilt.

Das vorliegende Papier konzentriert sich auf diese Chancen, möchte einen Beitrag zu dieser wichtigen Diskussion leisten und zeigt in Form von sieben Thesen auf, mit welchen Massnahmen die Schweiz als Staat und Volkswirtschaft gestärkt aus der aktuellen Krise kommen kann.

 

  • These 1
    Auf Stärken besinnen und das Schweizer Erfolgsmodell fit für die Zukunft machen
  • These 2
    Den Digitalisierungsschub nutzen und neue Arbeitsmodelle sowie die Weiterentwicklung der Verwaltungspraxis im digitalen Zeitalter vorantreiben
  • These 3
    Die internationale Zusammenarbeit fördern, um gemeinsame Probleme gemeinsam lösen zu können
  • These 4
    Den Innovationsstandort Schweiz stärken und den Vorsprung ausbauen
  • These 5
    Nachhaltigkeit als Erfolgsfaktor nutzen und die Transformation der Wirtschaft vorantreiben
  • These 6
    Resilienz der kritischen Infrastruktur weiter stärken und den Bedarf an digitaler Souveränität evaluieren
  • These 7
    Transparente Planszenarien für künftige Krisensituationen weiterentwickeln

Auf Stärken besinnen und das Schweizer Erfolgsmodell fit für die Zukunft machen

Zur Krisenbewältigung hat die Regierung relativ rasch wichtige Massnahmen getroffen, um vor allem dort die Wirtschaft grosszügig zu stützen, wo aufgrund der unmittelbaren Krisenbewältigung Interventionen nötig wurden. Zu nennen sind hier beispielsweise die unbürokratische Kreditvergabe oder die rasche Erweiterung und Abwicklung von Kurzarbeit. Diese Schritte wurden aus einer Position der Stärke durchgeführt, die auf einem bewährten Erfolgsmodell und einem stabilen Staatshaushalt ruht. Hierbei ist unter anderem das Instrument der Schuldenbremse zu nennen, welches der Souverän 2001 in der Verfassung festgehalten hat und das die Haushaltsdisziplin sicherstellt.

Kurz- bis mittelfristig wird aber die Staatsverschuldung ansteigen und die im internationalen Vergleich sehr tiefe Schuldenquote von 26,8 Prozent im Jahr 2019 wird unter Druck kommen – dies nicht nur aufgrund der gestiegenen Ausgaben infolge der Interventionsprogramme, sondern auch aufgrund der sinkenden Steuereinnahmen. So wird prognostiziert, dass das BIP 2020 um 6,7% zurückgehen kann (Link zum BV Artikel). Die hohe Belastung der Staatsfinanzen ist Realität. Während der staatliche Schutzschirm in der unmittelbaren Krisenbewältigung (u.a. gewährleistet durch das angepasste Epidemie-Gesetz von 2010) notwendig war, steht nun die Verhältnismässigkeit staatlicher Interventionen zur Diskussion. Eine liberale Wirtschaftsordnung kann nicht längerfristig Profite privatisieren, aber Risiken vergesellschaften. Hier gilt es das Prinzip der Selbstverantwortung nicht nur für Individuen, sondern auch für Unternehmen wieder zu stärken.

Auf Basis ihres Staatsverständnisses – aufbauend auf Föderalismus und dem Subsidiaritätsprinzip, Liberalismus, Konkordanz und direkter Demokratie und dem weiterhin tief verankerten Milizsystem – sowie des ausgeprägten Unternehmergeists in der Bevölkerung kann die Schweiz auf die Herausforderungen hinsichtlich des Staatshaushalts und der prognostizierten Rezession bedürfnisgerecht und zielgenau reagieren. Diese Stärken gilt es zu fördern. 

Gleichzeitig hat die Krise auch offenbart, dass in bestimmten Bereichen die Zusammenarbeit aller Akteure verbessert werden kann und dass auch ein Erfolgsmodell stetig weiterentwickelt und an neue Rahmenbedingungen angepasst werden muss.

Wenn wir an den identifizierten Schwächen arbeiten und die bewährten Stärken ausbauen, werden wir trotz der durch die Krise anstehenden Herausforderungen wieder in der Lage sein, uns mit den langfristigen Herausforderungen für die Schweiz zu beschäftigen – sei dies unsere Altersvorsorge, die Energiewende, die Finanzierbarkeit des Gesundheitswesens oder die Beziehungen zur Europäischen Union und zur internationalen Staatengemeinschaft. Gerade in dieser Krise ist das Bekenntnis der Schweiz zu ihren demokratischen Grundwerten und zur internationalen Zusammenarbeit zentral für die Innen- und Aussenwirkung unseres Landes.

Den Digitalisierungsschub nutzen und neue Arbeitsmodelle und die Weiterentwicklung der Verwaltungspraxis im digitalen Zeitalter vorantreiben

Die Einschränkung der Bewegungsfreiheit während der Krise hat gezeigt, dass virtuelles Arbeiten funktionieren kann – dies nicht nur in Bereichen, in welchen die Menschen bereits damit vertraut waren (geschäftliche Videokonferenzen oder Online-Bildungsangebote), sondern auch in Bereichen, in denen die virtuelle Interaktion bisher auf keine breite Akzeptanz gestossen ist (z.B. ärztliche Konsultationen).

Gleichzeitig hat die Covid-19-Krise gezeigt, wie anfällig die Schweizer Verwaltung ist, wenn sie nicht mehr physisch zusammenarbeiten kann  nicht nur in der Administration, sondern auch im politischen Betrieb.

Parlamentssessionen mussten abgebrochen werden und viele Ämter und politische Gremien haben an Handlungsfähigkeit eingebüsst, weil die Arbeitsprozesse nicht digitalisiert sind und technische wie auch administrative Hindernisse bestehen oder aber Führungskräfte und Mitarbeitende auf die virtuelle Zusammenarbeit nicht vorbereitet waren. So dürfen viele politische Gremien (insb. Parlamente) bis heute nicht virtuell tagen. Entscheide wären damit formal ungültig. Der Kanton Solothurn hat bereits in der Krise darauf reagiert und Gemeinden zumindest temporär ermächtigt, formal gültige Beschlüsse in Abwesenheit der Behördenmitglieder zu fassen – das heisst durch gleichzeitige virtuelle Präsenz mittels technischer Hilfsmittel (Telefon- oder Videokonferenz, Chat oder dergleichen) oder per Brief oder E-Mail auf dem Zirkularweg (Link zur Verordnungspublikation). Auch gegenüber der Bevölkerung und Wirtschaft hat die öffentliche Hand rechtliche Rahmenbedingungen vereinfacht und beispielsweise die allgemeine Möglichkeit der Videoidentifikation bei der Registrierung für elektronische Signaturen (Link zur Pressemitteilung) temporär zugelassen.

Die Erfahrungen aus der Corona-Krise haben die Notwendigkeit der digitalen Transformation und neuer Arbeitsmodelle evident gemacht und diese gleichzeitig der Bevölkerung, den Unternehmen sowie der Verwaltung und Politik nähergebracht. Weiter haben zahlreiche Behörden (wie auch Privatunternehmen und Bildungsinstitutionen) in dieser Situation schnell reagiert und digitale Lösungen für ihre Dienstleistungen entwickelt (z.B. Kurzarbeitsprozesse im Kanton Zürich, Milizhelfer-App im Kanton Thurgau). Die politischen Institutionen können dieses Momentum nutzen, um, die digitale Transformation weiter zu beschleunigen – nicht nur um besser für eine nächste Krise gewappnet zu sein, sondern um das Staatswesen insgesamt effizienter, smarter, innovativer und bedürfnisorientierter zu machen. Voraussetzung hierfür sind entsprechende Investitionen in die Mitarbeiterkompetenz, in die Basisdienste (z.B. eID und elektronische Signatur) sowie in die Infrastruktur (z.B. Ausbau der Breitbandinfrastruktur).

Ein wesentlicher Erfolgsfaktor hierbei ist die Zusammenarbeit von Bund, Kantonen und Gemeinden. Mit dem Projekt zur Stärkung der Zusammenarbeit von Bund, Kantonen und Gemeinden im Bereich «Digitale Verwaltung» (Link zur Pressemitteilung) wurde inmitten der Krise die Entscheidung für einen wesentlichen Schritt in diese Richtung getroffen. Gleichzeitig optimiert auch die Bundesverwaltung intern die Steuerung der Digitalisierung und IKT departementsübergreifend mit der ebenfalls Anfang April genehmigten «Neuorganisation der Digitalisierung und der IKT-Lenkung in der Bundesverwaltung» (Link zur Pressemitteilung). Ebenso erfolgskritisch ist der enge Austausch mit der Privatwirtschaft sowie Forschung und Lehre und die Förderung des Plattform- und Ökosystemgedankens – innerhalb, aber auch zwischen öffentlicher Hand, Privatwirtschaft und Wissenschaft.

Die internationale Zusammenarbeit fördern, um gemeinsame Probleme gemeinsam lösen zu können

Die aktuelle Krise hat die Verwundbarkeit internationaler Lieferketten offengelegt. Dies betrifft bei weitem nicht nur Produkte, die im Ausland gefertigt werden oder auf Zulieferungen aus dem Ausland angewiesen sind. Zudem wurden in einzelnen Ländern, mit dem Verweis auf Notrecht, vertraglich zugesicherte Lieferungen blockiert und Transitlieferungen zurückbehalten. Der globale Handel ist zumindest vorübergehend deutlich zurückgegangen. Die lokale Produktion konnte, wenn auch nur mit Verzögerung, diese Ausfälle kompensieren, was zur Folge hatte, dass es zu Engpässen bei verschiedenen Produkten kam. 

Die Schweiz ist als Exportnation in besonderem Masse auf funktionierende Handelswege und die internationale Zusammenarbeit angewiesen, weshalb die aktuelle Situation eine grosse Belastung darstellt. Nicht nur die Zulieferung ist erschwert, auch viele relevante Absatzmärkte sind aktuell praktisch nicht erreichbar.

Die Schweiz verfügt über ein exzellentes Diplomatennetzwerk und, trotz ihrer global relativ geringen volkswirtschaftlichen Grösse, über starke Beziehungen und Handelsvereinbarungen in der internationalen Gemeinschaft. Die Schweiz kann diese Position im Zusammenspiel mit der international ausgerichteten Schweizer Wirtschaft und deren Beziehungen nutzen, um internationale Vereinbarungen anzupassen und Lieferketten robuster und redundanter zu machen, die sich in grösseren Krisen wie auch bei kleineren, regionalen Verwerfungen bewähren. Ziel sollte sein, dass die Produktion oder Auslieferung bei kurz- und längerfristigen Unterbrüchen der Lieferkette aufrechterhalten werden kann. An dieser Stelle bietet sich eine Gelegenheit für die Schweiz, eine Vorreiterrolle im Bereich der Produktions- und Lieferstabilität einzunehmen.

Bezüglich des internationalen Handels ist der Fokus auf drei Themen zu richten. Erstens muss der Schutz der Lieferkette entlang der Handelswege sichergestellt werden. Die Schweiz wird dazu mit ihren wichtigsten Handelspartnern, aber auch in den internationalen Gremien mit der Staatengemeinschaft Lösungen finden müssen. Dies schliesst den abgestimmten Umgang auch in Krisen- und Notrechtssituationen ein und soll Hamsterkäufe von knappen Gütern auch auf staatlicher Ebene (in Form der «Kaperung» vertraglich zugesicherter Lieferungen) verhindern. Zweitens sollte sich die Schweiz auf politischer Ebene dafür einsetzen, international oder bilateral Vereinbarungen über den Umgang mit kritischen Zulieferern und Absatzmärkten zu schliessen, die auf eine Zusammenarbeit in Krisenzeiten zugeschnitten sind. Je früher verschiedene Szenarien in Betracht gezogen und mit diesen Partnern geklärt sind, desto schneller kann im Falle einer Krise reagiert werden. Drittens sollte die Definition der Pflichtlager angepasst werden. Zwar blickt die Pflichtlagerpolitik auf eine über 200-jährige Geschichte zurück und wurde letztmals in den 1980er-Jahren angepasst, doch die jüngste Krise hat Anpassungsbedarf zu Tage treten lassen. Systemrelevante Unternehmen sind aufgefordert, ihre Lieferketten und Absatzwege kritisch zu prüfen und sich entsprechend auf mögliche Unterbrüche vorzubereiten.

Doch eine Stärkung der internationalen Zusammenarbeit sollte nicht auf den Handel allein beschränkt bleiben. Die Krise hat in manchen Staaten die ohnehin bereits wachsende Abkehr vom Multilateralismus und Hinwendung zu protektionistischen und nationalistischen Ansätzen verstärkt.

Dabei hat gerade diese Krise gezeigt, wie wichtig die internationale Zusammenarbeit für die Bewältigung grenzübergreifender Herausforderungen ist.

Wichtige zukunftsweisende Themen sollten daher nach der Krise wieder zurück auf die Agenda der internationalen Staatengemeinschaft. Neben Themen wie Nachhaltigkeit und Biodiversität sowie Sicherheit sind dies auch konkrete Vorhaben wie die Schaffung neuer internationaler Steuerregeln für die Wirtschaft im digitalen Zeitalter.

Den Innovationsstandort Schweiz stärken und den Vorsprung ausbauen

Die Schweizer Wirtschaft zeichnet sich durch eine enorm hohe Innovationskraft aus und konnte in den vergangenen Jahren ihre Spitzenposition weltweit trotz des starken Frankens sichern (siehe dazu beispielsweise den Global Innovation Index). Das Berufsbildungssystem, das enge Zusammenspiel von Forschung und Wirtschaft, Startups und Konzernen sowie die hohe Bereitschaft zur Gründung neuer Unternehmen sind wesentliche Eckpfeiler des Erfolgsrezepts.  

Die Pandemie und die damit einhergehenden Einschränkungen haben die Wirtschaft in allen europäischen Ländern stark unter Druck gesetzt.

Die kostspieligen Massnahmen zur Stützung des nationalen Handels und der Produktion sowie zur sozialen Sicherung werden über lange Zeit hinweg die europäischen Nachbarn dazu zwingen, ihre Investitionen in Forschung und Entwicklung einzuschränken.

Dies ist eine wertvolle Gelegenheit für die Schweiz, ihren Vorsprung in Schlüsselbereichen durch gezielte Förderung mit den bestehenden oder auch neuen Instrumenten weiter auszubauen.

Es gilt nun, einen gemeinsamen Diskurs von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik darüber anzustossen, ob in den bestehenden, erfolgreichen Förderstrukturen (Schweizerischer Nationalfonds, Innosuisse, kantonale und kommunale Programme) im Nachgang zur Krise Schwerpunkte überdacht oder ausgeweitet und Instrumente weiterentwickelt werden müssen. Gleichzeitig gilt es zu prüfen, welche Rahmenbedingungen, Anreize und Infrastrukturen hierfür bereitzustellen sind – dies auch vor dem Hintergrund, dass viele Unternehmen in der Krise unter finanziellen Druck geraten sind und daher weniger Mittel für Innovationen zur Verfügung haben. Ein erster Schritt während der Krise ist unter anderem die Ergänzung der Notmassnahmen für innovative Startups (Link zur Pressemitteilung). Längerfristig wäre beispielsweise die Schaffung der richtigen Rahmenbedingungen für Modelle der Plattformökonomie (z.B. im Bereich Smart Mobility) eine der möglichen Stossrichtungen. Eine sehr konkrete mögliche Rahmenbedingung wäre auch eine pragmatische Beurteilung der mit der Unternehmenssteuerreform Anfang 2020 eingeführten steuerlichen Entlastungsinstrumente für innovative Aktivitäten durch die Steuerbehörden. Wie bereits in These 1 ausgeführt, sollte auch bei diesen Massnahmen der Fokus auf den bestehenden Stärken des Schweizer Erfolgsmodells gelegt werden. Auf der einen Seite sind die Kombination von Massnahmen auf Bundesebene und solchen auf Kantons- und Gemeindeebene, die breite Einbindung der verschiedenen Akteure sowie unbürokratische Prozesse wesentliche Erfolgsfaktoren. Auf der anderen Seite nimmt die Schweiz bereits in vielen Bereichen eine starke Position ein (z.B. Life Sciences, Fintech). Darauf gilt es aufzubauen, aber auch neue Felder müssen stärker in den Fokus gerückt werden (siehe beispielsweise These zur Nachhaltigkeit).

Eine herausragende Position muss hierbei der Bildungsbereich einnehmen. Hier bedarf es sowohl inhaltlicher als auch struktureller Anpassungen, um der Schweiz langfristig einen Vorsprung zu verschaffen.

Auf inhaltlicher Ebene wird eine weitere konsequente Förderung der sogenannten MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) im Zentrum stehen. Es geht aber nicht nur um Fachkompetenz. Es hat sich ebenso gezeigt, dass Sozialkompetenz und insbesondere die Fähigkeit, in interdisziplinären Teams arbeiten und sich schnell anpassen zu können, eine der Kernfähigkeiten der sich ändernden Arbeitswelt ist. Das Bewusstsein über den Wert von Weiterbildung bzw. des lebenslangen Lernens ist weiter zu stärken.

Auf struktureller Ebene muss das Bildungsangebot mit der zunehmenden Flexibilisierung der Arbeitswelt Schritt halten. Langfristige Bildungsmodelle und der klassische Präsenzunterricht zu fixen Zeiten sollten durch flexiblere, virtuelle und modulare Angebote ergänzt werden. In der Krise haben zahlreiche Bildungsinstitutionen auf verschiedenen Stufen bewiesen, dass ein solcher Transfer in vielen Fachbereichen möglich ist. Dieses Momentum sollte genutzt werden. Auf diese Weise können Bildungsangebote bedürfnisgerechter, nachfrageorientierter sowie kostengünstiger gestaltet und schliesslich auch der Zugang zu Bildungsinhalten erleichtert und damit die Chancengleichheit erhöht werden.

Auf diese Weise lässt sich das Ziel erreichen, dass die Schweiz als Gesellschaft und Volkswirtschaft die Fähigkeiten hat, kommende Veränderungen zu antizipieren, agil zu reagieren und sich anzupassen, um auch weiterhin ein innovativer Lebens- und Wirtschaftsraum zu sein.

Nachhaltigkeit als Erfolgsfaktor nutzen und die Transformation der Wirtschaft vorantreiben

Der Klimawandel, die Übernutzung von Ressourcen und der Schutz der Biodiversität gelten als eine der grössten globalen Herausforderungen für das Leben weltweit. Während das Thema seit einigen Jahren mit Vehemenz auf die politische, wirtschaftliche und soziale Agenda drängt, zumindest in Westeuropa, hat die aktuelle Pandemie diesen und andere Mega-Trends momentan vom Radarschirm geschoben. Doch es steht ausser Frage, dass es gemeinsame Anstrengungen braucht, um die Erde als Lebensraum in ihrer jetzigen Form für künftige Generationen zu erhalten.

Die aktuelle Pandemie hat neben ihren tragischen Auswirkungen auch unerwartete positive Effekte. Der international umgesetzte Lockdown, der zum drastischen Rückgang an Flugverbindungen und der allgemeinen Reisetätigkeit geführt hat, zeigt neben seinen negativen Folgen für den internationalen Warenaustausch und die Reisebranche auch Vorteile für die Umwelt. Der Ausstoss von CO2 und anderen umweltbelastenden Stoffen, die aus der Verbrennung von fossilen Brennstoffen resultieren, ist in Ländern, in denen ein Lockdown eingeführt wurde, deutlich gefallen. Dies hat nicht nur positive Auswirkungen auf den Klimawandel, sondern auch direkt auf die Gesundheit der Bewohnerinnen und Bewohner von Städten, welche nun von deutlich saubererer Luft profitieren. Gleichzeitig gelingt es vielen Industrien, ihren Betrieb im kurzfristig angesetzten Home Office mittels Online-Meetings und Video-Calls nahezu problemlos fortzuführen.

Im Nachgang zur Krise wird die Klimadiskussion grundsätzlich ihren Weg zurück auf die politische Traktandenliste finden. Es ist jedoch zu befürchten, dass das Pendel in einigen Volkswirtschaften in eine andere Richtung schwingen wird und Staaten ihre Umweltschutzregulierungen zur kurzfristigen Ankurbelung der Wirtschaft lockern werden. 

Die Schweiz kann sich in diesem Umfeld – unterstützt durch die forcierte Digitalisierung und ihre innovativen Universitäten und Unternehmen – als Vorreiterin im Bereich Nachhaltigkeit und innovativer Arbeitsmodelle positionieren und so an Attraktivität als hochwertiger Arbeits-, Lebens- und Wirtschafts- sowie Tourismusstandort gewinnen.

Zum einen kann mit der Förderung der entsprechenden Rahmenbedingungen im Bereich der virtuellen Zusammenarbeit (u.a. Infrastruktur, Abbau rechtlicher Hindernisse) die Politik das Momentum nutzen und die Verkehrsinfrastruktur durch weniger Reise- und Pendlertätigkeit entlasten, aber auch für Mitarbeitende mehr «persönliche Nachhaltigkeit» dank grösserer Flexibilität schaffen. Dabei sind auch jene Berufsgruppen ins Visier zu nehmen, welche aktuell noch keine Möglichkeit haben, virtuell zu arbeiten. Die öffentliche Verwaltung kann hier mit gutem Beispiel vorangehen und diese Veränderungen auch in ihrer Verwaltungspraxis vorantreiben.

Zum anderen sind neben diesen Massnahmen hinsichtlich der Veränderungen auf Ebene des Einzelnen die Rahmenbedingungen zur Transformation der Wirtschaft hin zu einem nachhaltigeren, energieeffizienteren Modell zu evaluieren. Die EU hat mit dem Green Deal bereits einen langfristigen Plan für eine solche Transformation vorgelegt. Die Schweiz wird sich dieser Aufgabe ebenfalls stellen und nicht nur im Rahmen der Innovationsförderung (siehe These Innovation) neue Denkansätze entwickeln müssen, um diese Chance nutzen zu können. Dabei gilt es erneut, auf den Stärken des Schweizer Gesellschaftsmodells aufzubauen und keine zentralistische Industriepolitik zu verfolgen, sondern gemeinsam im Sinne der Konkordanz und des Föderalismus die besten Lösungen zu finden, und insbesondere die Innovationskraft der Schweizer Wissenschaft und Wirtschaft zu nutzen.

Resilienz der kritischen Infrastruktur weiter stärken und den Bedarf an digitaler Souveränität evaluieren

Signifikante Ausfälle in der Infrastruktur in der Schweiz sind ausgeblieben und die Massnahmen haben sich als wirksam erwiesen, obwohl Cyberkriminelle zahlreiche Angriffe in der Krise ausgeführt haben. Insbesondere die rasche Verlagerung der Arbeitsplätze aus den Büros, wo sie in der Regel durch zentrale IT-Stellen gesichert werden, ins Home Office hat es Angreifern erleichtert, an sensitive Daten zu gelangen. Es gilt nun Wege zu finden, diese dezentralen Arbeitsstrukturen entsprechend zu schützen. Gleichzeitig hat sich in bestimmten Bereichen der digitalen Infrastruktur die Abhängigkeit der Schweiz vom Ausland gezeigt, auch wenn diese in dieser Krise prinzipiell unproblematisch geblieben ist.

Ein Weg, dies zu gewährleisten, ist die Stärkung der nationalen Cyber-Security-Anstrengungen, um auf breiter Front gegen diese Gefährdung vorzugehen, sowie die Lancierung eines Diskurses von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik über eine für die Schweiz sinnvolle Interpretation der «Digitalen Souveränität».

Die Schweiz hat hierzu bereits erste wichtige Schritte hin zu einem stärker koordinierten Vorgehen auf institutioneller Ebene gemacht (insb. durch die Schaffung der Stelle des/der Delegierten des Bundes für Cybersicherheit). Weitere Massnahmen umfassen beispielsweise auch das jüngst gestartete Projekt bezüglich einer «Swiss Cloud», in dem geprüft werden soll, inwiefern die Datensouveränität und damit die Abhängigkeit von internationalen Cloud-Anbietern reduziert werden kann (Link zur Pressemitteilung). Gleichzeitig verfügt die Schweiz über solide Rahmenbedingungen hinsichtlich der erforderlichen Fähigkeiten aufgrund ihrer ausgezeichneten Universitäten im Technologiebereich und Hightech-Unternehmen (von Startups, KMUs bis hin zu Grosskonzernen) und der internationalen Lohnattraktivität für Spezialisten/Spezialistinnen. Es bedarf hier jedoch weiterer konzertierter Anstrengungen der öffentlichen Hand und des Privatsektors, um nachhaltige Lösungen zu finden.

Die politischen Akteure der Schweiz können auf dieser Basis in enger Abstimmung mit der Privatwirtschaft und Wissenschaft eine breite Initiative zur weiteren Stärkung der Infrastruktur und zum Ausbau der Kapazitäten im Bereich Cyberabwehr lancieren. Insbesondere sind KMUs und andere mittlere und kleine Organisationen bei dieser Aufgabe zu unterstützen bzw. ist ein Anstoss zu geben, die Kräfte zu bündeln. Durch den konsequenten Aufbau der eigenen Abwehrfähigkeit und technologischen Kompetenz können die Sicherheit sensitiver Informationen und die digitale Souveränität der Schweiz gewährleistet werden. Insbesondere in Krisenfällen muss diese Autonomie ohne Kompromisse sichergestellt sein.

Die Klärung der Frage, welche Partner geeignet sind, in Kernbereichen des Staates zu operieren, ohne dass die Schweiz Gefahr läuft, kompromittiert zu werden bzw. der Frage, welche Fähigkeiten ggf. ganz ohne externe Hilfe entwickelt werden können, spielt hierbei eine zentrale Rolle.

Transparente Planszenarien für künftige Krisensituationen entwickeln

Die Covid-19-Pandemie hat uns vor Augen geführt, wie schwierig ein rigoroser und schneller Wechsel auf ein adäquates Krisenmanagement ist und aktuell erleben wir, wie schwierig sich auch eine geordnete Rückkehr zur Normalität gestaltet. Für einen raschen und allenfalls geografisch eingeschränkten Wechsel vom Lockdown zur Lockerung sind wir schlecht vorbereitet. Ein zentrales Mittel, um künftigen Krisen angemessen begegnen zu können, ist die kontinuierliche Weiterentwicklung von Planszenarien. Je früher konkrete Gefahren und potenziell problematische Trends im Gesundheits- oder Sicherheitsbereich identifiziert werden können, desto eher können wirksame Gegenmassnahmen eingeleitet und damit die schwerwiegendsten Folgen abgewendet werden. 

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die internationale Sicherheitslage im politischen, wirtschaftlichen und auch gesundheitlichen Bereich sich in absehbarer Zeit nicht wesentlich verbessern wird. Die Schweiz muss sich für diese Herausforderungen durch abgestimmte Szenarien für etwaige Krisen wappnen und die entsprechenden Strukturen aufbauen.

Um vorausschauende Massnahmen ergreifen zu können und flexibel, angepasst und schnell künftige Krisen bewältigen zu können, sind vertiefte Analysen der Bedürfnisse und Abhängigkeiten der schweizerischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft vorzunehmen und Vorgehensmodelle zu definieren.

Dadurch können bestehende Schwachpunkte und adäquate Gegenmassnahmen identifiziert werden. Diese Szenarien umfassen das ganze Spektrum des Krisenmanagements über die drei politischen Ebenen der Schweiz und optimieren Versorgung, Schutz und Gegenmassnahmen durch flexible Krisenmodelle. 

Eine je nach Handlungsfeld angemessene Transparenz gegenüber der Bevölkerung und die Einbindung der verschiedenen Akteure sind für diese Planszenarien erfolgskritisch, zumal es demokratischen Prinzipien gerecht zu werden und Vertrauen zu stärken gilt. Dabei ist nicht nur über die Planszenarien und Massnahmen zu berichten, sondern auch über deren Wirksamkeit, die entsprechend zu evaluieren ist. 

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Philipp Roth

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