Tokens revolutionieren Finanzierung guter Ideen

Adrian Keller Partner and Leader Audit for Blockchain, PwC Switzerland 10 Feb 2021

Technologische Entwicklungen wie Tokens könnten Märkte bald leichter zugänglich, liquider und günstiger für Investoren machen.

Es ist hinlänglich bekannt, dass Technologien wie Blockchain die Funktionsweise von Lieferketten revolutionieren. Ein Beispiel: Die Aargauer Landwirte Ingrid und Martin Wälti sind auf qualitativ hochwertige gelbe Rüben aus biologischem Anbau spezialisiert. Um die Zertifizierung als Bio-Produkt zu erhalten, müssen sie den Nachweis erbringen, dass ihr Produkt hält, was es verspricht, und tatsächlich aus dem biologischen Anbau in der Schweiz stammt, dass es frisch geliefert wird und nicht bereits nach wenigen Tagen verdirbt und dass es auf eine umweltschonende Art und Weise transportiert wird. Um diese Glaubwürdigkeit zu erlangen, haben die Wältis die Blockchain-Technologie eingeführt, mit der sich die Entwicklung und der Transport ihres Agrarprodukts vom Bauernhof bis zu den Regalen im Supermarkt verfolgen lässt. Mithilfe dieses Systems können alle Betroffenen - von Saatgutzüchtern und -herstellern über Zertifizierungsstellen bis hin zu den Konsumenten - Informationen über das Agrarerzeugnis eingeben beziehungsweise abrufen. Diese reichen vom Ort und von der Art des Anbaus über die Transportweise bis hin zu Angaben über Einzelverpackungen. Der einfache, günstige und automatisierte Prozess sorgt für Vertrauenswürdigkeit. Für mehr Hintergrundinformationen lesen Sie den folgenden Artikel: Konvergierende Ökosysteme: Wissen, was auf den Teller kommt – was die Reise unseres Gemüses über die Entwicklung der Nachhaltigkeit aussagt

Tokenisierung von Vermögenswerten

Ergänzen wir die Geschichte der Wältis nun noch um ein weiteres Beispiel, um die Tokenisierung von Vermögenswerten zu veranschaulichen. Diese Entwicklung der Kryptotechnologie könnte das Finanzleben von Unternehmen und Privatpersonen drastisch verändern. Ich möchte Ihnen Georg Jenni, den Cousin von Ingrid Wälti, vorstellen. Georg ist auch Landwirt, allerdings nicht im Aargau, sondern im Drei-Seen-Land der Schweiz. Seit Generationen baut seine Familie auf einem der grössten Grundstücke der Region Gemüse an. Das Vermächtnis umfasst auch einen ausgedienten Gebäudekomplex am Rande des Bauernhofes. Georg möchte diese Gebäude gewinnbringend nutzen. Sie sind mehrere Millionen Franken wert und in guter Verfassung. Daher wäre es eine Verschwendung, sie abzureissen. Er hat die Idee, sie in eine Gemüseverarbeitungsanlage für sich und andere lokale Landwirte umzuwandeln. Durch die Übernahme dieses Glieds der Lieferkette könnten die Landwirte ihre Unabhängigkeit und Krisenfestigkeit verstärken.

Georg muss nun nur noch herausfinden, wie er die Millionen von Franken, die an diese Immobilie gebunden sind, freisetzen kann, um die Anlage einzurichten. Er spricht mit Ingrid und Martin darüber. Sie schlagen vor, sein Immobilienvermögen durch Tokenisierung gewinnbringend zu nutzen. Im Rahmen der Tokenisierung werden kryptografische Tokens für einen Vermögenswert (in diesem Fall die landwirtschaftlichen Gebäude) geschaffen. Diese Tokens werden in erschwingliche Bruchstücke unterteilt und im Rahmen eines öffentlichen Angebots, dem sogenannten Security Token Offering (STO), an die Anleger verkauft.

Die Tokens werden durch einen Smart Contract und die zugrunde liegende Distributed- Ledger-Technologie (die Blockchain) verwaltet. Im Gegensatz zu einem herkömmlichen Vertrag enthält der Smart Contract alle Vertragsbedingungen in digitaler, programmierter Form. Wenn die Bedingungen erfüllt sind (zum Beispiel, sobald eine Zahlung auf dem Konto eingeht oder das Objekt Mieteinkommen generiert), wird die entsprechende Massnahme (wie die Ausgabe von Tokens oder die Zahlung der Erträge) automatisch ausgelöst. Es muss niemand mehr überwachen, ob die Bedingungen eingehalten werden: Das geschieht ganz automatisch. Dadurch ist es viel günstiger, zuverlässiger und transparenter als der analoge Vertragsansatz.

Tokenisierung von Vermögenswerten

Finanzierung via Crowdfunding

Georg findet die Idee mit der Tokenisierung sehr gut. Auf diese Weise kann er sein Projekt durch Crowdfunding finanzieren. So muss er die Immobilie nicht ganz veräussern und auch keinen Kredit bei der Bank aufnehmen, um die Ausrüstung für seine Verarbeitungsanlage zu erwerben. Mittels der Tokens kann er Eigentumsrechte - unter anderem am Mieteinkommen des Objekts - an eine grosse Zahl von Anlegern verkaufen. So wird ein grosser ungenutzter und illiquider Vermögenswert plötzlich in ein nützliches, Einkommen generierendes Objekt verwandelt. Diese Art von Tokenisierung ist keine Zukunftsmusik mehr: Sie wird in Europa bereits angewandt. In Zürich und Stuttgart entstehen digitale Börsen (Digital Exchanges), um die Ausgabe von und den Handel mit Tokens leichter zu machen und der Öffentlichkeit Zugang zu verschaffen. Sie ist auch nicht auf Immobilien beschränkt: Man kann für ein Kunstwerk oder alle anderen Vermögenswerte Tokens erstellen. So lassen sich auf unkomplizierte und günstige Weise Barmittel freisetzen. Die Technologie und Infrastruktur bestehen bereits dafür. Nun fehlt es nur noch an Vorstellungskraft.

Georg hat den Ball schon ins Rollen gebracht. Eine vollständige Beschreibung seiner Immobilie wurde bereits digital erfasst und über die Blockchain zur Verfügung gestellt. Das STO ist eingeleitet und die Tokens finden guten Absatz. Georg, seine Cousine und eine Reihe lokaler Gemüseanbauer haben einige Tokens erworben. Die Verarbeitungsanlage wird bald in Betrieb genommen und Mehrwert zur lokalen Wirtschaft beisteuern. Ausserdem wird sie sicherstellen, dass die leckeren Gemüsesorten aus dem Seeland erntefrisch bei den Kunden eintreffen.


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