Im Fokus: Stablecoins 

Stablecoins: Fast so hart wie bare Münze

Bastian Stolzenberg 
Director, Blockchain Assurance, PwC Switzerland 

Bei Stablecoins ist der Name Programm: Sie sind stabil und hart wie Münzen. Zudem lassen sie sich schnell und einfach handeln und gegen Unwägbarkeiten wie Hochinflation oder Realwertverlust einsetzen. Allerdings hat der Token mehr als eine Kehrseite: Das Vertrauen in den jungen digitalen Vermögenswert ist gering. Noch fehlt eine klare (Selbst-)Regulation und die Herausgebenden schaffen nur teilweise Transparenz über die Sicherheit der investierten Gelder. Es ist an der Zeit, dass sich das ändert. Dazu sind Investierende, Emittenten, Zentralbanken und Regulatoren gleichermassen gefragt.

So funktioniert ein Stablecoin

Ein Stablecoin ist ein kryptografischer Token. Sein Preis wird von Preisbindungsmechanismen gesteuert und soll möglichst wenig von einer nationalen Währung, einem Währungskorb oder anderen Vermögenswerten wie Gold oder Rohstoffen abweichen. Damit stellt der Stablecoin einen stabilen Vermögenswert dar, der keinen grossen Schwankungen unterliegt; daher sein Name.

Die Stabilität der heute am häufigsten genutzten Stablecoin-Art, der «Fiat backed» Stablecoins, wird durch die Kopplung an eine Fiat-Währung erreicht, in den meisten Fällen an den US-Dollar (USD). Ein Kryptoinvestierender kauft 100 Stablecoins für 100 USD. Er muss sich darauf verlassen, dass der Herausgebende diese so lange sicher aufbewahrt, bis er seine 100 Stablecoins gegen 100 USD zurücktauscht. Bekannte Vertreter des «Fiat backed» Stablecoins sind Tether, USD Coin oder Binance USD. 

Neben den «Fiat backed» Stablecoins gibt es zudem seltener verwendete Stablecoin-Typen, wie arithmetisch konzipierte Stablecoins und solche, die an Rohstoffe gekoppelt sind («commodity backed»). Bei den arithmetisch konzipierten Stablecoins wird der stabile Wert durch einen Algorithmus aufrechterhalten, der Angebot und Nachfrage mehrerer (Krypto-)Währungen steuert, um Volatilität zu vermeiden. Beim «commodity backed» Stablecoin lässt sich durch die Tokenisierung eines Barrels Öl der Anspruch auf diesen ohne physische Auslieferung handeln. Der Tokeninhabende könnte den Barrel Öl in physischer Form jedoch jederzeit anfordern.

Agilität als wichtiger Vorteil

Mit Stablecoins können Kryptoinvestierte die Volatilität ihres Engagements verringern, indem sie hoch volatile Kryptowährungen schnell in Stablecoins tauschen und diese dann bei gesunkener Volatilität wieder zurücktauschen. Das Umtauschen von Stablecoins kann schneller und kostengünstiger erfolgen als über das traditionelle Finanzsystem. Denn zahlreiche Börsen und Banken unterbinden entweder den Handel mit bestimmten kryptografischen Vermögenswerten in Fiat-Währungen oder erheben dafür höhere Transaktionsgebühren. Aus diesem Grund werden Stablecoins selten als langfristige Investition gehalten. Neben dieser Funktion sind sie vorwiegend auf dezentralisierten Finanzmärkten (DeFi) anzutreffen, wo öffentliche Blockchains Peer-to-Peer-Finanzdienstleistungen anbieten.

Ein Traktandum der Zentralbank

Als Geld- und Währungshüter haben die Zentralbanken das Thema seit einiger Zeit traktandiert und den Begriff «Central Bank Digital Currency» (CBDC) ins Leben gerufen. Das könnte als Reaktion auf die Vielzahl bereits öffentlich handelbarer Stablecoins interpretiert werden, da Stablecoins fast ausschliesslich durch privatwirtschaftliche Unternehmen ausgegeben werden und damit Zahlungssysteme ausserhalb der Kontrolle der Zentralbanken entstehen. In der Schweiz wurde als Pilot das «Project Helvetia» durchgeführt. In einem mehrstufigen Verfahren haben der Innovation Hub der Bank for International Settlements (BIS), die Schweizerische Nationalbank (SNB) und die Schweizer Börse SIX Einsatzmöglichkeiten des digitalen Frankens geprüft. Das Gremium schätzt diesen als um einiges praxis- und produktionsbezogener ein als den digitalen Euro der Europäischen Zentralbank (EZB). Sein Hauptvorteil: die zentrale Ausgestaltung der Infrastruktur mit dem zentralen Dienstleister SIX. Dass die SNB ein sicheres und verlässliches Zahlungssystem einrichten will, bevor sie ihre eigene CBDC lanciert, ist verständlich. Vorerst bleibt also abzuwarten, ob und wann der erste von der Nationalbank ausgegebene digitale Franken gehandelt wird. 

Risiko Nr. 1 - fehlendes Vertrauen

Zu den grössten Risiken von Stablecoins gehört das mangelnde Vertrauen in die Aufbewahrung der Realwerte, die Stablecoins absichern, zum Beispiel in die Aufbewahrung der Fiat-Währungen bei «Fiat backed» Stablecoins. Heute gibt es weder umfassende Regulierungen noch gesetzlich vorgeschriebene Audits oder eine von der Branche garantierte Standardisierung der Prozesssicherheit. Zum Beispiel wird nicht offiziell erhoben, wie viele Stablecoins ein Anbietender im Umlauf hat und ob er tatsächlich über die entsprechenden Vermögenswerte verfügt, um seine ausgegebenen Stablecoins zu decken. Die Europäische Union (EU) hat mit «Markets in Crypto-Assets» (MiCA) als erster Kontinent einen breiten Fächer von Regulierungsvorgaben von unbesicherten Kryptowährungen und Stablecoins über Kryptobörsen bis hin zu Krypto-Wallets vorgelegt.

Angesichts der geringen Regulierungsdichte erstaunt es nicht, dass viele Kryptoinvestierte nur zögerlich in den vergleichsweise jungen, wenn auch milliardenschweren Markt investieren. Bisher gibt ihnen keine (Selbst-)Regulation die Gewissheit, dass ihr digitales Geld sicher angelegt ist oder zum zugesagten Preis zurückbezahlt werden kann. Eines der bisher bedeutendsten Projekte – mit ungewisser Zukunft – ist die Internetwährung Diem von Meta (ehemals Facebook), die an einen Währungskorb gebunden werden sollte. Nach heftiger Gegenwehr der US-amerikanischen Notenbank und der US-Regierung hat Meta das Projekt abgebrochen und sowohl die Technologie als auch das geistige Eigentum verkauft. Der Verfall des LUNA-Tokens des Krypto-Finanzökosystems Terra trug ebenfalls nicht zur Vertrauensbildung von algorithmisch basierten Stablecoins bei. Der Zusammenbruch von Terra löste am Kryptomarkt einen Erdrutsch aus und hinterliess Tausende von geprellten Anlegenden – und noch mehr ungeklärte Fragen.

Kurz vor der Publikation dieses Artikels hat die Krypto-Börse FTX in den USA Konkurs anmelden müssen. Es erhärten sich die Anzeichen, dass die FTX keine ausreichenden liquiden Mittel mehr hatte, um ihre Verbindlichkeiten, inklusive der verwalteten Kundenvermögen, zurückzahlen zu können. Auch wenn die FTX als Börse und der FTT, der von der FTX ausgegebene Token, nicht unmittelbar mit der in diesem Artikel aufgeführten Thematik vergleichbar sind, gibt es durchaus einen gemeinsamen Nenner: Das Schaffen von Vertrauen und Transparenz für Anleger an einer Krypto-Börse und Inhaber von Stablecoins gleichermassen. Wie mehr Vertrauen und Transparenz an einer Krypto-Börse geschaffen werden könnte finden Sie hier.

In der Gunst steigender Zinsen

Wir gehen davon aus, dass die inflationsbedingt steigenden Zinsen dem Konzept von «Fiat backed» Stablecoins Aufwind verleihen. Aus Sicht eines Emittenten sind steigende Zinsen interessant, da er seine als Gegenwert erhaltenen Werte mit mehr Gewinn anlegen kann. Zwar muss er einen Wertverlust durch Inflation hinnehmen, doch tangiert ihn dieser kaum, da keine höhere Verpflichtung gegenüber der Kundschaft damit einhergeht. Von der Inflation betroffen könnte die «Fiat backed»-Stablecoin-Inhaberschaft sein. Diese hält ihre Token jedoch so kurz, dass sich der Inflationseffekt kaum bemerkbar macht. Das wäre nur dann der Fall, wenn «Fiat backed»-Stablecoin-Investierte ihre Kryptowerte längere Zeit hielten und sie so dem Wertverlust aussetzten. Die Zahl neuer «Fiat backed»-Stablecoin-Angebote dürfte sich allerdings in Grenzen halten. Denn um damit erfolgreich zu sein, muss ein Emittent grosse Volumina bewegen und sich Skaleneffekte zunutze machen. 

Vielseitig krisentauglich 

In unsicheren Zeiten und volatilen Märkten können mit stabilen Währungen hinterlegte Stablecoins helfen, Realwerte abzusichern. Das ist gerade für Anlegende in Ländern mit Hochinflation wie Brasilien oder der Türkei interessant. Aufgrund der explodierenden Inflationsraten können sie dort nur schwer auf stabile Währungen zugreifen. Stablecoins erlauben es ihnen, die Entwertung der landeseigenen Währung faktisch zu überspringen. Im Weiteren können Personen aus Krisengebieten ihr Vermögen mit Stablecoins schützen und Transaktionen in andere Länder veranlassen. Denn Stablecoins sind an keine nationalen oder supranationalen Transaktionssysteme gebunden und lassen sich an zahlreichen Börsen umtauschen. Und schliesslich dient der Stablecoin Menschen ohne Bankverbindung als Zahlungsmittel, um über das Smartphone Güter zu erwerben und diese digital zu bezahlen.

Fazit

Stablecoins sind schon längst kein Zahlungsmittel des wilden digitalen Westens mehr. Sie sind kryptografische Vermögenswerte mit einer hohen Stabilität und einem einfachen, schnellen Handling. Umso dringlicher ist es, dass die Zentralbanken sich noch intensiver mit dem Thema auseinandersetzen und eine klare Haltung zum Umgang mit CBDC entwickeln. Auch der Regulator ist in der Pflicht, denn noch liegen mit Ausnahme von MiCA keine nationalen oder globalen Regelwerke oder Standards vor. Die Emittenten von Stablecoins wiederum täten gut daran, sich im Sinne einer Selbstregulation auditieren zu lassen und die sichere Aufbewahrung der hinterlegten Realwerte nachzuweisen. Kryptoinvestierte ihrerseits sollten sich der Risiken von Stablecoins bewusst sein und Token von geprüften Herausgebenden kaufen oder diese nachdrücklich auffordern, mehr Transparenz zur Sicherheit des investierten Kapitals zu schaffen. Nur so lässt sich in diesem hoch potenten Markt ein Vertrauen etablieren, das es angesichts der wachsenden Handelsvolumen dringend braucht. 


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Bastian Stolzenberg

Bastian Stolzenberg

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