Im Fokus: Unternehmensberichterstattung

Corporate-Governance-Bericht: Unternehmenskultur in Wort und Tat

Patrick Balkanyi
Partner, Wirtschaftsprüfung

In einem Corporate-Governance-Bericht zeigen Sie auf, wie Ihr Unternehmen weitsichtiges Denken im Interesse Ihrer Dialoggruppen – insbesondere der Investoren – mit Struktur auf- und mit passenden Massnahmen umsetzt. In diesem Sinn schaffen Sie mit dem Corporate-Governance-Bericht nachhaltige Transparenz. Wie weit Sie dabei gehen, liegt in Ihrem Ermessen.

In der Wirtschaftswelt existieren unterschiedliche Begriffsinterpretationen der Corporate Governance und damit auch des Corporate-Governance-Berichts. Wir verstehen darunter die Dokumentation darüber, wie ein Unternehmen seine Führungs- und Überwachungsstruktur aufbaut, im Alltag umsetzt und mit Führungsthemen wie der Unternehmenskultur, dem ethischen Verhalten oder der Compliance verbindet. Denn eine gute Corporate Governance gewährleistet eine verantwortungsvolle, qualifizierte, transparente und auf den langfristigen Erfolg ausgerichtete Unternehmensführung und soll der Organisation selbst, ihren Eigentümern und den externen Interessengruppen dienen.


Ein Kind der Geschichte

Den Anstoss für die regulatorische Verankerung des Corporate-Governance-Berichts gaben die Unternehmensskandale
und -zusammenbrüche um die Jahrtausendwende. Die Finanzkrise hat einige Jahre später die Dringlichkeit einer solchen Offenlegung wiederholt akzentuiert. Auch die hochemotionale Abstimmung über die Minder-Initiative im März 2013, in deren Folge die Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten Aktiengesellschaften (VegüV) ausgearbeitet und in Kraft gesetzt wurde, hat die Aktualität der Thematik erneut zum Ausdruck gebracht.

Weitläufig verankert

Die Pflicht zur Offenlegung von Grundsätzen der Unternehmensführung geht aus verschiedenen regulatorischen Werken und Empfehlungen auf nationaler und internationaler Ebene hervor:

Obligationenrecht (OR)

Das OR schreibt die Pflicht eines Corporate-Governance-Berichts zwar nicht vor. Allerdings gehen aus Art. 716a die unübertragbaren und unentziehbaren Aufgaben des Verwaltungsrats hervor. Im Corporate-Governance-Bericht werden dessen Arbeitsweise und Aufgabenteilung, die personelle Zusammensetzung sämtlicher Verwaltungsratsausschüsse, deren Aufgaben sowie die Kompetenzabgrenzung detailliert beschrieben.

SIX Exchange Regulation

Die «Richtlinien betreffend Information zur Corporate Governance» vom 1. September 2014 sind für Publikumsgesellschaften anzuwenden, die an der SIX Swiss Exchange hauptkotiert sind. Damit sollen die Unternehmen den Investoren bestimmte Schlüsselinformationen in geeigneter Form zur Verfügung stellen. In den SIX-Richtlinien ist zudem geregelt, welche Angaben Unternehmen machen müssen, die der VegüV unterstehen.

economiesuisse

Der «Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance» von 2002 hat die Corporate Governance als Instrument der Selbstregulierung etabliert. Die aktualisierten Fassungen von 2007 und 2014 betonen das Konzept des nachhaltigen Unternehmenserfolgs als Leitstern einer sinnvollen «Corporate Social Responsibility».

FINMA

Im Rundschreiben (RS) 2008/24 «Überwachung und interne Kontrollen bei Banken» und im RS 2008/32 «Corporate Governance, Risikomanagement und Internes Kontrollsystem bei Versicherern» konkretisiert die FINMA die aufsichtsrechtlichen Bestimmungen zur Corporate Governance für Finanzinstitute und Versicherungsunternehmen.

OECD

Die Neufassung von 2004 der «Grundsätze der Corporate Governance» haben die Corporate-Governance-Agenda in OECD-Mitglieds- sowie Nichtmitgliedsländern vorangebracht und liefern präzise Orientierungshilfen für länderspezifische Gesetzes- und Regulierungsinitiativen.

Inhalt mit Gehalt

Der Corporate-Governance-Bericht legt per Stichtag dar, wie ein Unternehmen organisiert und geführt wird. Konkret zeigt er auf, welche Aufgaben in der Verantwortung des Verwaltungsrats liegen, welche Ausschüsse dieser konstituiert (z. B. Audit Committee, Compensation Committee, Governance and Nomination Committee), mit welchen Mitgliedern diese besetzt sind und was dort besprochen wird. Als Teil des Jahresberichts ist der Corporate-Governance-Bericht öffentlich zugänglich – und damit dem kritischen Blick diverser Dialoggruppen ausgesetzt. Der formelle Gegenstand und Umfang eines Corporate-Governance-Berichts sind in den Richtlinien der SIX detailliert festgeschrieben. Dazu gehören Konzernstruktur und Aktionariat, Kapitalstruktur, Verwaltungsrat, Geschäftsleitung, Entschädigungen, Beteiligungen und Darlehen, Mitwirkungsrechte der Aktionäre, Kontrollwechsel und Abwehrmassnahmen, Revisionsstelle und Informationspolitik.

Jenseits der Pflicht

Der regulatorischen Publizitätspflicht liegen grundlegendere und damit existenziellere Fragen zugrunde: Was versteht ein Unternehmen unter «guter» Governance? Welche Strategie verfolgt es? Wie beeinflusst diese seine Corporate Governance? Wie reagiert das Unternehmen auf Schlüsselrisiken? Und wie wird es geleitet und überwacht? Die strategische Unternehmensführung ist also gut beraten, sich mit diesen Fragen detailliert auseinanderzusetzen und mit dem Corporate-Governance-Bericht schlüssige Antworten darauf zu geben. Nur so kann das Unternehmen dem Leser verständlich darlegen, wie es seine Werte gewissenhaft erhält und weiterentwickelt.

Vielschichtige Verantwortung

Für den Corporate-Governance-Bericht zeichnet der Verwaltungsrat verantwortlich. Idealerweise gibt er die Gliederung der Inhalte vor; immerhin beschreiben diese, wie er seine Führungs- und Überwachungsfunktion wahrnimmt. In diesem Sinn ist der Corporate-Governance-Bericht ein starkes Führungsinstrument, mit dem der Verwaltungsrat seiner Gewissenhaftigkeit in Bezug auf die Strategie, die Auswahl, das Entlohnungssystem sowie die Kontrolle des Managements Aus- und Nachdruck verleiht.

Auf dem Radar der Prüfer

Regulatorisch muss ein Corporate-Governance-Bericht nicht geprüft werden. Trotzdem gehört dessen Lektüre zur Pflicht der Revisoren. Denn die Schweizer Prüfungsstandards PS 720 bzw. ISA 720 [1] verlangen, dass der Prüfer Dokumente, die den geprüften Abschluss enthalten, durchliest und allfällige wesentliche Unstimmigkeiten zwischen dem Abschluss und den anderen Informationen in diesen Dokumenten moniert. Der revidierte International Standard of Auditing ISA 720 [2] vom April 2015 verlangt vom Abschlussprüfer neu, dass dieser künftig in seinem Prüfbericht explizit festhält, dass er auf keine solchen Unstimmigkeiten gestossen ist. Die Bestimmungen des International Auditing and Assurance Standards Board (IAASB) werden üblicherweise von EXPERTsuisse in die Prüfungsstandards übernommen und von der Revisionsaufsichtsbehörde (RAB) für die Schweiz als verpflichtend anwendbar erklärt.

[1] Schweizer Prüfungsstandard 720: «Die Pflichten des Abschlussprüfers im Zusammenhang mit sonstigen Informationen in Dokumenten, die den geprüften Abschluss enthalten» bzw. ISA 720: «The Auditor’s Responsibilities Relating to Other Information in Documents Containing Audited Financial Statements»

[2] «The Auditor’s Responsibilities Relating to Other Information»

Bestnoten für Schweizer Aktiengesellschaften

SIX-kotierte Unternehmen haben in der Corporate Governance über die letzten Jahre deutlich zugelegt und sich sowohl strukturell als auch formell stark weiterentwickelt. So publizieren sie heute nicht nur ein oberflächliches Minimum an Informationen, sondern legen nachvollziehbar dar, wie der Verwaltungsrat arbeitet. Trotzdem könnten Schweizer Unternehmen sich gerade inhaltlich noch verbessern und zum Beispiel offenlegen, wie das Risikomanagement funktioniert und wie Risiken konkret abgedeckt werden.

Objektives Selbstbild

Ein guter Corporate-Governance-Bericht zeichnet sich durch eine hohe Objektivität und Verständlichkeit aus. Er legt die Mindestinhalte gemäss SIX-Vorgaben transparent und prägnant auf wenigen Seiten dar. Das Risikomanagement ist zwar nicht Teil der Berichterstattung über die Corporate Governance. Trotzdem muss der Leser verstehen können, wie ein Unternehmen Risiken rechtzeitig erkennt, Chancen ausmacht und mit welchen Anreizen und Massnahmen es beides steuert. Das Erstellen eines Corporate-Governance-Berichts entspricht der hohen Kunst des Selbstporträts. Dabei muss das Unternehmen sein subjektives Wissen um seine wahren Werte mit dem Objektivitätsanspruch seiner Interessengruppen verknüpfen. Mit der Offenlegung der Anforderungs-, Erfahrungs- und Wahlkriterien für Verwaltungsrats- und Ausschussmitglieder, ihrer Amtszeiten und Verantwortlichkeiten und des Prozesses der Selbstbeurteilung schafft die Unternehmensführung die geforderte Transparenz über Führungssystem und -politik. Für den Leser entsteht so nicht nur mehr Klarheit, sondern auch die Möglichkeit, mehrere Unternehmen miteinander zu vergleichen.

Attest einer gelebten Unternehmenskultur

Sowohl für börsenkotierte multinationale Unternehmen als auch für Schweizer Familienunternehmen eröffnet ein guter Corporate-Governance-Bericht ein interessantes Potenzial – und eine holistische Perspektive (vgl. Integrated Reporting).
Mit Inkrafttreten des überarbeiteten Berichts der Abschlussprüfung muss sich der Verwaltungsrat nämlich fragen, welche zusätzlichen Informationen er im Corporate-Governance-Bericht offenlegen will, um auf einen allfälligen Erklärungsbedarf aufgrund von Key Audit Matters (KAM) aus dem Revisionsbericht mit schlüssigen Inhalten reagieren zu können (vgl. Neuer Revisionsbericht).

Damit noch nicht genug: Der Corporate-Governance-Bericht könnte sich in Zukunft zu einem festen Bestandteil einer integrierten Berichterstattung entwickeln, die sich ganzheitlich zu Risikomanagement, KAM, Nachhaltigkeit, ethischem Verhalten, Markenwerten oder anderen Führungs- und Compliancethemen äussert und diese mit nachvollziehbaren Massnahmen konkretisiert. So konzipiert würde der Corporate-Governance-Bericht aufzeigen, inwiefern die Unternehmenskultur wirklich gelebt wird; von den Mitarbeitern genauso wie von den Führungsgremien selbst.
Wenn ein Konzern oder ein Familienbetrieb offenlegt, welche Kernwerte er pflegt, wie er diese aktuell hält und auf deren Missbrauch reagiert, macht er die Compliance zu einem zentralen Führungsparameter. In dieser Interpretation wird ein Corporate-Governance-Bericht mithelfen, Lücken zwischen Kommunikation und Realität oder zwischen den Erwartungen der Dialoggruppen und sich selbst zu schliessen.

Fazit

Mit einem Corporate-Governance-Bericht zeigen Sie Ihren Interessengruppen so objektiv wie möglich auf, wie Ihr Unternehmen die nachhaltige Wertentwicklung sicherstellt; ganz gleich, ob Sie einem Gross- oder Familienunternehmen vorstehen. Obwohl es sich um einen Rechenschaftsbericht und eine Momentaufnahme handelt, sollte dieser Bericht auch Aufschluss darüber geben, wie Sie zukünftige Herausforderungen angehen. Darum halten Sie mit dem Corporate-Governance-Bericht in einer etwas progressiveren und ganzheitlichen Betrachtung der Unternehmensberichterstattung ein griffiges Instrument in den Händen, um Ihre Unternehmenskultur langfristig zu verankern, klar zu kommunizieren und gezielt zu steuern – auch oder gerade in turbulenten Zeiten mit komplexen Marktmechanismen und unter den Argusaugen von Öffentlichkeit und Mitbewerbern.

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Patrick Balkanyi

Patrick Balkanyi

Partner and Leader Swiss GAAP FER, PwC Switzerland

Tel.: +41 58 792 26 76

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