Im Fokus: Transformation Assurance

Würden Sie Ihr Projektmanagement einer Maschine anvertrauen?

Marc Lahmann
Partner und Leader Transformation Assurance, PwC Schweiz

Wie können wir Zahlen vertrauen? Wie können wir Maschinen vertrauen? Normalerweise wird Vertrauen von Menschen aufgebaut. Aber wie können wir auf Zahlen und Prognosen setzen, die Maschinen für unser Alltagsgeschäft erstellen? Diesen Beitrag widmen wir der Vertrauensfrage im Projektmanagement.

Projektmanager entscheiden in der Regel aufgrund ihrer Erfahrung. Doch wenn Menschen Entscheidungen treffen, sind sie meist subjektiv. Maschinen hingegen halten diese Subjektivität aus Entscheidungen raus, was sie letztlich vertrauenswürdiger macht als den Menschen. Aber wie gelangt ein Unternehmen dahin? Als Erstes braucht es Antworten auf diese Schlüsselfragen:

  • Wie können Mensch und Maschine gemeinsam Vertrauensbeziehungen aufbauen?
  • Wer ist für diese Maschinen verantwortlich oder haftbar, wer für die Prüfung der Prozesse und Ergebnisse?
  • Wohin geht die Reise? Wie wird künstliche Intelligenz (KI) im Projektmanagement eingesetzt? Ist reine KI realistisch?
  • Warum sollte sich ein Unternehmen für diesen Weg entscheiden?
  • Welches sind die höchsten Hürden und wie lassen sich diese überwinden?

Was bedeutet Vertrauen im Hinblick auf künstliche Intelligenz im Projektmanagement?

Für alle, die keine Projektmanagement- oder Programmleitungsexperten sind, seien die Mechanismen nachfolgend kurz erklärt, von denen hier die Rede ist. Dieses Grundverständnis ist hilfreich für die detaillierten Ausführungen weiter unten im Artikel.

Ein Manager steuert diverse Projekte. Sein Computer informiert ihn darüber, welche Projekte gut oder schlecht laufen und legt die Prioritäten fest. So weit, so gut. Stellen Sie sich nun vor, die Maschine teilt dem Manager mit, ein Projekt werde scheitern, in welches das Unternehmen grosse Hoffnung und viel Geld steckt. Tatsache ist: Wir vertrauen gerne positiven Botschaften und stellen negative Prognosen schnell infrage. Sieht der Manager seinen portfoliogebundenen Bonus in Gefahr, könnte er versucht sein, die Algorithmen oder Daten zu manipulieren, um erwünschte Ergebnisse zu bekommen. Natürlich ist das schlecht fürs Geschäft.

Vertrauen hat also zwei Ausprägungen: erstens das Vertrauen in Maschinen, dass diese zuverlässige, unverfälschte Informationen und Prognosen liefern. Und zweitens das Vertrauen in die Menschen, dass diese mit den Ergebnissen der Maschinen arbeiten, ohne selber etwas zu verfälschen. Bekanntlich ist Vertrauen gut, aber Kontrolle ist besser. Darauf kommen wir später zurück.

Wann wird KI menschliche Projektmanager ersetzen?

Dem Forschungs- und Beratungsunternehmen Gartner zufolge wird es 80 % der heutigen Aufgaben im Projektmanagement im Jahr 2030 nicht mehr geben. Wir von PwC glauben, dass diese Entwicklung teilweise stimmt, sie allerdings nicht so schnell und radikal sein wird. Einerseits ist der Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) im Projektmanagement unglaublich komplex. Denn dabei müssen die gegensätzlichen Interessen unterschiedlicher Anspruchsgruppen berücksichtigt und aufeinander abgestimmt werden.

Das heisst nicht, dass es hier keinen Fortschritt gibt. Wir befinden uns gegenwärtig im Stadium der Standardisierung und Automatisierung: Maschinen können standardisierte Dokumente ausfüllen und Projektcharts erstellen. Zudem ist KI immer häufiger bei Chatbots anzutreffen. Diese informieren einen Projektmanager oder -sponsor etwa darüber, was läuft oder woran das Team gerade arbeitet.

In einer nächsten Phase wird es mehr Prognosen und Empfehlungen aufgrund des maschinellen Lernens (ML) geben. Das entspricht im Projektmanagement der Antwort auf die Frage, wie das Wetter morgen sein wird und der Entscheidung, ob Sie mit den Kindern picknicken oder ins Museum gehen wollen. Erst dann kann der menschliche Projektmanager ersetzt werden. Möchte der Projektsponsor dann wissen, wo das Projekt steht, wird er eine Maschine fragen. Doch da sind wir noch nicht.

Worauf läuft das alles hinaus?

Am Schluss dieser Entwicklung steht der voll automatisierte Projektmanager, ähnlich einem selbstfahrenden Auto. Bis dahin wird es allerdings noch mindestens 20 Jahre dauern. Denn die Umgebung und Daten des Projektmanagements sind in den Unternehmen noch nicht ausreichend strukturiert; sie haben sich organisch entwickelt.

Auf dem langen Weg zum voll automatisierten Projektmanagement gilt es zunächst, die Umgebung so vorzubereiten, dass sie strukturierte Daten liefert. Diese benötigt die Maschine für ihre Prognosen. Was den Vormarsch der Automatisierung ebenfalls bremst, ist die Komplexität einer Umgebung, die eine Maschine für die Entscheidungsfindung überblicken muss. Ein selbstfahrendes Auto muss grundsätzlich nur die Strasse vor sich im Auge behalten. Ein «selbstfahrendes» Projektmanagement hingegen muss jederzeit die gesamte Umgebung und alle beteiligten Personen durchforsten. Aktuell befindet sich der Grossteil der relevanten Informationen in den Händen und Köpfen der Projektmanager. Manches wird in Datenform gespeichert, steht aber in der Projektumgebung nicht vollständig digital zur Verfügung. Die Projektmanager möchten diese Informationen verständlicherweise nicht preisgeben, denn damit könnten sie sich selber wegrationalisieren.

Was bedeutet das für die Projektmanager?

Eine Kernaufgabe besteht also darin, seine Projektmanager zu motivieren, mitzuziehen und sich anzupassen. Naheliegend ist es, die Projektmanager mit KI vom Verwaltungsaufwand zu entlasten und ihnen zu ermöglichen, sich auf strategische und kunden- oder mitarbeiterbezogene Aspekte ihrer Funktion zu konzentrieren. Natürlich möchten nicht alle Projektmanager strategisch arbeiten. Einige gehen lieber weiterhin ihren administrativen Aufgaben nach, auch wenn diese eine Maschine übernehmen könnte. Hier sehen wir das genauso wie Gartner: Klassische Projektmanagementaufgaben werden in den nächsten Jahren entfallen oder automatisiert.

Selbstverständlich verändert das die Projektmanagementteams fundamental. Chatbot-Assistenten werden anstelle der menschlichen Assistenten Standardfragen beantworten. Bots werden zudem Dokumente erstellen. Diese Technologie erzielt massive Kosteneinsparungen, weshalb die Unternehmen entsprechend in sie investieren.

Vor diesem Hintergrund sollten sich Mitarbeiter im Projektmanagement auf ihre Fortbildung und die Weiterentwicklung ihrer Fähigkeiten im Umgang mit Veränderungen und Stakeholdern konzentrieren. Denn: Projektmanager, die nur den Standard beherrschen, könnten schon bald arbeitslos sein.

Und die Führungsetage?

Wie vielversprechend die Kosteneinsparungen auch sein mögen: Ein Unternehmen muss ein gesundes Gleichgewicht zwischen Kostenreduktion und Qualitätseinbussen finden. Um die Ergebnisse und erstellten Dokumente der Maschine zu prüfen, braucht es unter anderem umfassende Qualitätskontrollen. Denn nur so kann die Maschine lernen und sich laufend verbessern.

Führungskräfte müssen also das Vertrauen aufbauen und erhalten, über das wir bereits gesprochen haben: das Vertrauen in die Maschine und das Vertrauen in den Menschen, der die Maschine sinnvoll nutzt.

Dazu können die Unternehmen ihre Projektmanager als Erstes darin schulen und zertifizieren, dass sie KI einsetzen und deren Prognosen interpretieren. Projektmanager müssen die Algorithmen und Daten, die daraus resultierenden Prognosen sowie die damit verbundenen Risiken verstehen. Zweitens braucht es ethische Standards, um Mitarbeitenden beim Einsatz von KI eine Richtschnur an die Hand zu geben und Entscheidungen einzugrenzen, die KI treffen darf. Drittens ist Transparenz bei den von der KI verwendeten Methoden und Algorithmen gefragt, um eine Programmverzerrung zu vermeiden (die Annahmen für die Programmierung der Software und die Art, wie der Algorithmus gefüttert wird, können zu verzerrten Vorhersagen und Entscheidungen führen). Dazu kann das Unternehmen eine weitere Governance-Ebene etablieren und sicherstellen, dass niemand die Algorithmen und Daten manipuliert.

Trotz des aktuellen Hypes rund um KI kennen nur wenige die wahren Grenzen und Vorteile davon. Um sicherzustellen, dass sich eine Investition auszahlt, muss das Unternehmen die Voraussetzungen für den erfolgreichen Einsatz von KI im Projektmanagement verstehen, die komplexe Umgebung und die mit ihr verbundene soziale Dynamik aushandeln – und das alles detailliert dokumentieren.

Starten oder nicht?

So mancher Entscheidungsträger dürfte sich fragen, wann er starten und wie weit er gehen soll. Der Einsatz von KI bedeutet Aufwand und Risiken. Doch wer es der Maschine ermöglicht, mit Daten Prognosen zu erstellen (anstatt mit den Informationen in den Köpfen der menschlichen Projektmanager weiterzuarbeiten), verschafft sich einen gewaltigen Wettbewerbsvorteil.

Bei kleineren Unternehmen besteht kein dringender Bedarf an KI im Projektmanagement. Denn sie haben bereits den Gesamtüberblick. Nicht so die Konzerne. Zwei Branchen sind besonders an einem schnellen Einstieg in die KI interessiert: erstens die Pharmaindustrie. Sie profitiert wesentlich, wenn sie voraussagen kann, welche ihrer Forschungs- und Entwicklungsprojekte zu Produkten führen. Daher investieren Pharmakonzerne derzeit grosse Summen in die KI-Technologie. Zweitens der Finanzsektor. Anbieter stehen unter einem massiven Kostendruck. Sie prüfen jede Investition genauestens und stoppen sie, wenn das Ergebnis die eingebrachten Personal- und Finanzressourcen nicht rechtfertigt. Topmanager von Finanzdienstleistungsunternehmen stehen vor einem Berg an aggregierten Zahlen, können aber oft nichts damit anfangen. KI könnte ihnen helfen, die Zahlen zu deuten.

Kurz und gut

KI wird das Projektmanagement grundlegend verändern – wenn auch nicht so schnell oder radikal, wie manche Auguren das vorhersagen. Alle Beteiligten müssen die Folgen realistisch einschätzen und die Extreme eines Überoptimismus oder Überpessimismus vermeiden.

Projektmanager müssen sich Fachwissen zur KI aneignen und verstehen, wie sie funktioniert und was die Maschine aussagt. Nur so können sie mit den Risiken und Stolpersteinen umgehen. Sie müssen zudem die ethischen Standards für den Einsatz von KI kennen und anwenden. Auch in einer KI-geprägten Zukunft werden Projektmanager gefragt sein, die entscheiden wollen und mit der Zeit gehen.

Unternehmen können nicht einfach mit dem Zauberstab wedeln, damit KI ihr gesamtes Geschäft transformiert. Sie müssen als Erstes realistische Erwartungen darüber erlangen, was KI kann. Anschliessend müssen sie ihr Unternehmen entsprechend vorbereiten, eine Datenschicht installieren und erheblich investieren. Erst dann können sie von der neuen Technologie profitieren.

Kontaktieren Sie uns

Marc Lahmann

Marc Lahmann

Partner, Strategy & Transformation, PwC Switzerland

Tel.: +41 58 792 27 99

Follow us