Gendermedizin – für eine Gesundheit mit Zukunft

Drittes Netzwerktreffen der «Female Leaders in Health and Pharma»

Tania Putze, Managerin, Beratung Gesundheutswesen, PwC Switzerland

Tania Putze
Managerin, Beratung Gesundheitswesen, PwC Switzerland

Tania Putze, Managerin, Beratung Gesundheutswesen, PwC Switzerland

Saskia Schifferle
Associate, Beratung Gesundheitswesen, PwC Switzerland

Am 4. Oktober 2023 fand das dritte Netzwerktreffen der «Female Leaders in Health and Pharma» statt. Rund 50 Frauen aus der Gesundheitsbranche trafen sich im Westhive Zürich, um sich einem der wichtigen Zukunftsthemen zu widmen: Gendermedizin. Zwei Referentinnen präsentierten spannende und verblüffende Fakten zu den Unterschieden der Geschlechter in Gesundheit und Krankheit. In der anschliessenden Podiumsdiskussion diskutierten die Anwesenden Fragen aus dem Praxisalltag und tauschten Erfahrungen aus. Beim Flying Dinner in entspannter Atmosphäre diskutierten sie Geschlechterrollen und andere Themen und bauten ihr Netzwerk aus.

Female Leaders Vortrag
Was ist Gendermedizin?

Gendermedizin ist ein multidisziplinärer Ansatz, der geschlechtsspezifische Unterschiede in allen Bereichen der Medizin untersucht und berücksichtigt. Hier werden biologische, soziale und kulturelle Unterschiede zwischen den Geschlechtern in Forschung, Diagnose und Behandlung einbezogen. Dieser Ansatz trägt der Tatsache Rechnung, dass Männer und Frauen unterschiedliche gesundheitliche Bedürfnisse haben und dass die medizinische Versorgung diese Unterschiede berücksichtigen muss.

Existenz- und Zukunftsthema

Die Bedeutung der Gendermedizin wird oft unterschätzt. Geschlechtsspezifische Unterschiede können sich erheblich auf die Gesundheit und das Wohlbefinden von Menschen auswirken. Auf die gleiche Erkrankung reagieren Frauen und Männer mit teilweise unterschiedlichen Symptomen. Sie haben unterschiedliche Risikofaktoren und Reaktionen auf Medikamente und Therapien. Werden diese Unterschiede in der medizinischen Versorgung nicht berücksichtigt, können Fehldiagnosen die Folge sein und die Betroffenen zu spät oder unangemessen versorgt werden. Solche Fehldiagnosen und -behandlungen haben nicht nur tragische individuelle Folgen, sondern auch gesamtwirtschaftliche ökonomische Auswirkungen. Denn sie können zu kostspieligen Folgebehandlungen und Haftungsrisiken führen. Wenn zum Beispiel durch geschlechtsspezifische Präventions- und Aufklärungsmassnahmen Krankheitsraten gesenkt werden, lassen sich gesamtwirtschaftlich Kosten einsparen. 

Beispiele, die ans Herz gehen

Dr. Eva Sum, Medical Science Manager Breast Cancer bei Roche, stellte in ihrem Vortrag unter anderem das X Project von Roche vor. Mit den Hashtags #NotSoFunFacts und #MyStoryForChange möchten die Initiant:innen das Bewusstsein für soziale und medizinische Geschlechterunterschiede schärfen und den Frauen Gehör verschaffen. Zu diesen Facts gehört, dass das Risiko einer Fehldiagnose bei einem Herzinfarkt bei Frauen um 50% höher liegt als bei Männern. Oder: Frauen mit Typ-1-Diabetes versterben mit einer 37% höheren Wahrscheinlich an der Erkrankung als Männer. Dr. Eva Sum zeigte zudem auf, wie Roche den Wandel in der Frauengesundheit fördert. Beispielsweise strebt Roche eine gleichmässige oder prävalenzbasierte Teilnahme von Männern und Frauen in Studien an und generiert geschlechterspezifische Einsichten aus Gesundheitsdaten. Dieser Wandel ist dringend nötig, wenn man bedenkt, dass Frauen bis Mitte der 1990er-Jahre systematisch von der Teilnahme an klinischen Studien ausgeschlossen wurden. Demnach standen bis vor 30 Jahren nur Männer im Fokus der medizinischen Forschung.  

«Männergrippe» ist kein Mythos

Prof. Dr. Catherine Gebhard, Leitende Ärztin für Kardiologie am Inselspital Bern, zeigte mit eindrücklichen Beispielen auf, wie das biologische und soziale Geschlecht unsere Körpersysteme beeinflusst und welche frappierenden Folgen die Vernachlässigung dieser Faktoren haben kann. Zum Beispiel kann es zu einer Medikamentenüberdosierung bei Frauen kommen, etwa bei Beta-Blockern: Die geringste Sterblichkeit bei der Einnahme von Beta-Blockern liegt bei Männern zwar bei 100% der empfohlenen Dosis, bei Frauen jedoch bei 40% bis 60%. Ein weiteres spannendes Beispiel betrifft die Immunantworten. Diese sind tatsächlich im biologischen Geschlecht verankert und bei Frauen stärker ausgeprägt als bei Männern. Kein Wunder also, dass Männer so sensibel auf die vermeintliche «Männergrippe» reagieren. Und dass die Prävalenz der meisten Autoimmunkrankheiten bei Frauen viel stärker ist als bei Männern. 

Female Leaders Podium
Trust in Transformation

Female Leaders in Health & Pharma 

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Podium diskutiert Gretchenfrage

Die Referentinnen nannten viele weitere ähnliche Beispiele – von einem höheren Risiko für Frauen, während der Narkose aufzuwachen, über Verzögerungen in der Behandlung von Herzinfarkten bis hin zu zugelassenen Medikamenten, die keinen messbaren Nutzen für Frauen erzielen. Am Ende der Vorträge blieb eine grosse Frage im Raum stehen: Wie können wir dafür sorgen, dass geschlechterspezifische Unterschiede in allen Bereichen der medizinischen Versorgung noch stärker berücksichtigt werden?

Ein Patentrezept hatten die Podiumsteilnehmenden nicht, Ideen dafür umso mehr. Sie betonten, dass in der Forschung zusätzliche finanzielle Mittel zur Adressierung des sozialen Geschlechts (z. B. für die Betreuung von Kindern während einer Studienteilnahme) zur Verfügung gestellt werden könnten. Denn noch immer nehmen Frauen häufiger die Hauptverantwortung in der Kinderbetreuung wahr. Deshalb fehlt ihnen oft die Zeit, an Studien teilzunehmen. Auch die Sensibilisierung der Bevölkerung für die medizinischen Geschlechterunterschiede wäre vielversprechend. Beispielsweise sollte öffentlich thematisiert werden, dass sich die Symptome diverser Krankheiten wie Herzinfarkt oder Depressionen bei Männern ganz anders zeigen als bei Frauen. Gleichzeitig sollten die Leistungserbringer und Forschungsgruppen in der Entwicklung von Medikamenten sowie bei der Diagnose und Behandlung von Krankheiten geschlechtsspezifische Unterschiede stärker einzubeziehen. 

Knacknuss künstliche Intelligenz

Eine aktuelle Herausforderung bei der Entwicklung und Durchführung von Behandlungen dürfte in naher Zukunft der Einsatz von generativer künstlicher Intelligenz sein. Denn die historisch gewachsene Datengrundlage hat den Mann zum Standard. Das macht es schwierig, die künstliche Intelligenz ohne Verzerrung der Sachlage zu trainieren und sicherzustellen, dass die Ergebnisse geschlechterspezifisch und inklusiv sind.

Jede und jeder ist gefragt

Zwar sind wir aktuell noch weit von einer geschlechterspezifischen medizinischen Versorgung entfernt. Doch das Interesse, die Ideen und Initiativen, die das Thema angehen und voranbringen möchten, sind vorhanden. Das dritte Treffen der «Female Leaders in Health and Pharma» vom 4. Oktober 2023 gab den Teilnehmenden die Gelegenheit, ihr Wissen zu diesem Thema weiterzugeben und zu diskutieren. Wir sind alle gefragt, dieses wichtige Thema voranzubringen. 

#social#

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